«Es ist ein harter Weg an die Spitze»: Ein «Fifa»-E-Sportler über seinen Aufstieg
Hintergrund

«Es ist ein harter Weg an die Spitze»: Ein «Fifa»-E-Sportler über seinen Aufstieg

Daniel Ramm
23.12.2020

Er ist Deutschlands bester Spieler auf der Playstation 4, zumindest was «Fifa» angeht: Fabio Sabbagh – Gamern besser als «Fifabio97» bekannt – erkämpfte sich den Titel 2020 in der virtuellen Fußball-Bundesliga.

Mit der Spielvereinigung Greuther Fürth wurde er außerdem deutscher Vize-Meister. Vor der laufenden Saison wechselte zu Werder Bremen, in seinen Augen «der wahrscheinlich beste E-Sports-Verein der Welt». Ein Gespräch über Profisport in den realen und in der virtuellen Welt, kurze Spiele und lange Trainingseinheiten – und Mannschaftsgeist auf Entfernung.

Fabio, wie wird man E-Sport-Profi?

Fabio Sabbagh: Im Falle von «Fifa» führt der Weg an die Spitze zumeist über sogenannte Qualifikationsturniere. Bringt man bestimmte Voraussetzungen mit, kann man an diesen Wettkämpfen teilnehmen. Gewinnt man dort auch noch und qualifiziert sich somit für die «Fifa»-Weltmeisterschaft, werden Vereine, Organisationen oder Berater-Agenturen ganz sicher auf einen aufmerksam. Dann kommen die Angebote von ganz allein. Doch dieser Weg ist hart. Man muss sehr, sehr viel trainieren und sehr, sehr gut sein, um überhaupt antreten zu dürfen. Da kommt man nicht so einfach hin.

Was für Talente braucht es, um im E-Sport erfolgreich zu sein?

Ich kann da nur für «Fifa» sprechen. Zuallererst braucht man natürlich einfach mal das Talent, das Spiel spielen und mit dem Controller umgehen zu können. Die Hand-Augen-Koordination ist dabei durchaus wichtig. Ein generelles Verständnis von Fußball sollte ebenfalls ganz unbedingt vorhanden sein. Und ich denke, ein Talent für schnelle Entscheidungsfindungen ist von großem Vorteil. Du musst schließlich ständig die richtige Entscheidung im richtigen Moment treffen.

Wie wurdest du entdeckt?

Nachdem ich einige «Fifa»-Turniere gewonnen hatte, fiel ich einer Beraterfirma auf, die dann einen Kontakt zur Spielvereinigung Greuther Fürth hergestellt hat, einem der besten Vereine der «Fifa»-Bundesliga. Dort begann ich dann zu spielen. 2019 hatte ich ein besonders starkes Jahr. Und deshalb hat mir der SV Werder Bremen ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen konnte. Seit Sommer 2020 bin ich als Süddeutscher nun also beim Nordclub unter Vertrag. Man sieht: Auch im E-Sport gibt es einen Transfermarkt, der nicht anders als im echten Fußball funktioniert: Gespräche mit anderen Vereinen, Verhandlungen, Berater, alles ähnlich.

Werden im E-Sport denn auch die großen Gehälter gezahlt, die man sie vom realen Fußball kennt?

Nein, so üppig fallen die Gehälter nicht aus. Aber es gibt sicher E-Sportler, die von ihrem Beruf gut leben können. Es kommt halt ganz auf den Verein an, für den man antritt. Ich persönlich verdiene mein Geld neben meinem Beruf als E-Sportler zusätzlich durchs Streaming auf Twitch. Und ich spiele Fußball in der bayrischen Regionalliga.

Fabio Sabbagh sitzt in Bremen vor der Konsole und steht in Bayern auf Regionalliga-Plätzen. Foto:  WERDER.DE
Fabio Sabbagh sitzt in Bremen vor der Konsole und steht in Bayern auf Regionalliga-Plätzen. Foto: WERDER.DE

Du spielst sowohl in der realen, als auch in der virtuellen Welt professionell Fußball?

Ja, eine spannende Kombination, oder? Soweit ich weiß, bin ich in Deutschland der einzige professionelle E-Sportler, der auch im realen Leben hochklassig kickt. Fußball ist einfach ein sehr großer und sehr bedeutender Teil meines Lebens. Das war er immer – auf dem Platz und an der Konsole.

Stell dir vor, jemand hätte absolut keine Ahnung von E-Sports: Wie würdest du ihm «Fifa» erklären?

«Fifa» ist virtueller Fußball, gespielt auf einer Konsole. Zwei Teams kämpfen gegeneinander um den Sieg. Der größte Unterschied zum echten Fußball ist wohl, dass keine elf Spieler für eine Mannschaft auflaufen müssen. Man hat zwar auch im Virtuellen elf Spieler, aber die werden eben nur von einem einzigen Gamer gesteuert. Im Endeffekt muss man mit der Konsole aber dieselben Ziele erreichen, wie auf dem Fußballplatz auch: Tore, Siege, Punkte.

Wie muss man sich deinen Trainingsalltag vorstellen?

Ist gerade ein neuer «Fifa»-Teil erschienen, investierte ich wirklich sehr, sehr viel Zeit ins Spielen. Dann sitze ich Stunden und Tage an der Konsole. Ich muss das Spiel regelrecht studieren. In dieser Zeit ist jedes Mitglied unser Mannschaft noch auf sich allein gestellt. Später kommen wir auch in Bootcamps zusammen. Wir treffen uns in Bremen und trainieren gemeinsam, vor allem natürlich auch den Zwei-gegen-Zwei-Modus.

Apropos Modus: Wie läuft ein Spieltag in der «Fifa»-Bundesliga ab?

Ein Spieltag besteht aus drei Spielen: ein Eins-gegen-Eins auf der Playstation 4, ein Eins-gegen-Eins auf der Xbox und eben ein Zwei-gegen-Zwei. Ein Team kann also pro Spieltag neun Punkte einsammeln. Man duelliert sich dabei sowohl auf der einen, als auch auf der anderen Konsole, weil viele Profispieler einfach an die Xbox oder wahlweise an die Playstation gewöhnt sind, sie in- und auswendig kennen, vielleicht sogar mit ihr aufgewachsen sind. Man will da schlicht niemanden ausgrenzen.

Hast du einen persönlichen Liebling?

Ich sehe mich schon auf der PS4, auf jeden Fall!

Wie sieht ein Bundesligaspiel aus?

Ein Spiel dauert keine 90 Minuten, sondern zweimal sechs Minuten. Die Halbzeitpause ist auch keine 15 Minuten lang, sondern nur eine Minute. Außerdem hat man die Möglichkeit, während eines Spiels drei kurze Auszeiten zu nehmen. Das mag jetzt alles nicht besonders lang klingen, aber da man während des Spiels hochkonzentriert und angespannt ist, ist es sehr wohl eine hohe psychische und auch physische Herausforderung.

Es gibt zwei Bundesliga-Divisionen, eine Nord-West- und eine Süd-Ost-Division. Ein Team muss den ersten oder zweiten Platz erreichen, um sich direkt fürs Finale zu qualifizieren. In unserer Nord-West-Division spielen 13 Vereine. Gegen jeden müssen wir zweimal antreten. Wir kämen also auf 24 Spieltage, da aber im Normalfall Doppel-Spieltage stattfinden, reden wir von zwölf Tagen. Zwischen Anfang November und Ende Februar rollt der Ball, also ungefähr einmal die Woche.

Wo befindet ihr euch während eines Spieltags eigentlich?

Auswärtsfahrten müssen wir zum Glück nicht machen. Jeder Verein hat seinen eigenen Stützpunkt, an dem die Mannschaft an Spieltagen real zusammen kommt und von dem aus sie dann online spielt. Werder tritt in Bremen an, der HSV in Hamburg und so weiter. Theoretisch könnte ich natürlich auch in meiner Wohnung in München bleiben, aber das Gemeinschaftsgefühl und der Zusammenhalt sind natürlich wesentlich besser, wenn alle gemeinsam vor Ort sind – zumal wenn man in einem Zwei-gegen-Zwei zusammen spielt. Da ist es einerseits technisch noch nicht möglich, ein Zwei-gegen-Zwei im in der Virtual Bundesliga gespielten Modus von vier verschiedenen Standorten zu absolvieren und andererseits schon von großem Vorteil, seinen Mitspieler direkt neben sich zu haben.

Wo ist euer Stützpunkt denn genau?

Wir haben unmittelbar im «wohninvest Weserstadion» eine eigene «eSPORTS Arena», in der alles professionell aufgebaut ist. Sehr, sehr cool! Da sitzt unser Kader dann an Spieltagen: drei Profispieler und zwei Spieler der Werder-E-Academy, an der besondere Nachwuchstalente mit Potenzial ausgebildet werden. Nur Zuschauer haben wir leider nicht.

Tragt ihr während des Spiels eigentlich Trikots?

Ja, wir haben eigene E-Sports-Trikots bei Werder, die vom Style her allerdings wie normale Fußball-Trikots aussehen.

Wirst du als E-Sport-Profi von Ärzten und Wissenschaftlern betreut – ähnlich wie ein Fußballfrofi auch?

Bei Werder Bremen auf jeden Fall! Zu Beginn der Saison steht dort Leistungsdiagnostik auf dem Programm: Hand-Augen-Koordination, Wahrnehmungsfähigkeit oder Sehstärke werden getestet. Im Laufe des Spielbetriebs folgen immer mal wieder Überprüfungen, die Ergebnisse werden abgeglichen, die Entwicklungen festgehalten. Wir Spieler bekommen durchaus auch individuelle Übungen an die Hand, um unsere kognitiven Fähigkeiten zu verbessern.

Was magst du an deinem Beruf am meisten?

Die Tatsache, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe, dass ich mit etwas, was ich anfangs einfach nur zum Spaß betrieben habe, heute Geld verdienen kann – und dass ich Freude und Leidenschaft mit so vielen Menschen auf der ganzen Welt teilen kann.

Spielst du in deiner Freizeit noch?

Sehr wenig. Ich komme nur noch selten dazu, mit meinen Jungs zu zocken. Mir fehlt oft einfach die Zeit dazu. Leider.

Zu guter Letzt: Hast du irgendeinen «Fifa»-Trick oder Insider-Tipp für unsere Leser?

In jedem Teil gibt es drei, vier Skills, Tastenkombinationen, die sehr stark programmiert wurden und sehr gut funktionieren. 2020 ist beispielsweise der Übersteiger unfassbar! Aber Profis entdecken diese Tricks meist schnell und verwenden sie dann auch alle. Ab da geht es nur noch darum, wer die Skills am schnellsten einsetzt – oder am besten.

Titelbild: Foto: WERDER.DE

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Ich bin seit 20 Jahren Journalist und war unter anderem Redakteur eines Wissensmagazins, Textchef eines Nachrichtenmagazins und Chefredakteur eines Jugendmagazins. Für mich können Themen und Texte gar nicht abwechslungsreich und bunt genug sein. Am liebsten jeden Tag etwas Anderes, Neues, Spannendes. Die Menschen um mich herum aber, also jene, die mit mir Tisch, Bett und Badezimmer teilen, die dürften gerne den Rest meines Lebens dieselben bleiben. 


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