Filmkritik: Wie «Dune: Part One» in Schönheit stirbt
Filmkritik

Filmkritik: Wie «Dune: Part One» in Schönheit stirbt

Luca Fontana
15.9.2021

An Opulenz und Bildgewalt mangelt es «Dune» nicht. Dafür aber an konkreter Handlung; der Film fühlt sich wie ein viel zu lang geratener Prolog an – aber ein verdammt guter.

Eines vorweg: In dem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


«Dune» ist ein Wagnis. Ein episches Versprechen. Zunächst, weil sich Regisseur Denis Villeneuve 155 Minuten Zeit nimmt, eine Geschichte zu erzählen, die erst in ihren letzten vierzig Minuten wirklich Fahrt aufnimmt. Wenn überhaupt. Dann aber, weil Villeneuve sie nicht mal zu Ende erzählt. Das machen die Texteinblendungen in den ersten Filmminuten klar:

Dune.

Part One.

Part One? Wovon? Die «Dune»-Saga umfasst sechs Bücher aus der Feder Frank Herberts. Das erste Buch schrieb er 1965. Das letzte 1985. Im Zentrum stehen ambitionierte Themen wie Kolonisation, Unterdrückung, Revolution und religiöse Erlösung. Villeneuve widmet sich der ersten Hälfte des ersten Buches. Anders soll die komplexe Saga, an der viele renommierte Regisseure bereits gescheitert sind – darunter David Lynch – kaum zu stemmen sein.

Tatsächlich fühlt sich «Dune» äusserst unfertig an. Oder eben: Wie ein Versprechen, dass da noch mehr sei. Mehr Substanz, vor allem. Mehr Story. Uns Zuschauerinnen und Zuschauern bleibt nichts anderes übrig, als nach der Fortsetzung zu lechzen, die erst noch gedreht werden muss – sofern Filmstudio Warner Bros. sie durchwinkt.

«In Dune, much is made of dreams», sagt Schauspielerin Zendaya zu Beginn des Films passend.

Darum geht’s

Spice. Eine Droge. Aber auch die wichtigste Substanz des Universums. Sie verlängert menschliches Leben und steigert sowohl körperliche als auch geistige Fähigkeiten. Aber noch viel wichtiger ist, dass Spice interplanetare Reisen in einer Galaxie, die von einem feudalistischen Imperium kontrolliert wird, erst möglich macht.

Gewonnen wird Spice auf dem unwirtlichen Wüstenplaneten Arrakis – auch Dune genannt. Kontrolliert wird der Planet vom Haus Harkonnen, das die heimischen Völker Arrakis’ unterdrückt und sich an der Spice-Wertschöpfung bereichert. Dann geschieht etwas Merkwürdiges: Imperator Shaddam IV entzieht Haus Harkonnen die Kontrolle über den Planeten und übergibt sie Duke Leto (Oscar Isaac) vom Haus Atreides. Der Duke riecht eine Falle, kann das Angebot des Imperators aber nicht ablehnen.

Schnell wird klar: Harkonnen will die Schmach über den Verlust des Spices nicht auf sich sitzen lassen. Und während das brutale Haus seine Rache plant, tut Paul Atreides (Timothée Chalamet), der junge Kronprinz des Hauses Atreides, seine ersten Schritte in einer Wüstenwelt, die ihn schon bald als Messias und Heilsbringer verehren wird – womöglich gar als der prophezeite Anführer einer interplanetaren Revolution.

An Schönheit mangelt es «Dune» nicht

Es wäre kein Denis-Villeneuve-Film, würde er seine ambitionierte Geschichte nicht auffällig ungehetzt erzählen. Schon fast gemächlich. Bedeutungsschwanger. Denn Villeneuve nimmt sich bewusst Zeit, die Science-Fiction-Welt Frank Herberts in all seiner audiovisuellen Pracht zu etablieren.

Etwa, wenn Raumschiffe, die ganze Völker transportieren, vor dem Hintergrund des Wüstenplaneten wie winzig kleine Reiskörner wirken. Und dann, in der nächsten Einstellung in Bodennähe, erstrecken sich diese Reiskörner plötzlich über die gesamte Leinwand hinweg, als ob sie ganze Ozeane vertreiben könnten.

Timothée Chalamet als Paul Atreides
Timothée Chalamet als Paul Atreides
Quelle: © 2020 Warner Bros.

Villeneuve erfreut sich dieser epischen Extravaganz bis zur schieren Erschöpfung. Das tat er schon in «Arrival». Noch mehr gar in «Blade Runner 2049». Kaum ein anderer Regisseur prägt Bildgewalt als Stilmittel mehr als er. Das sorgt zwar für Gänsehautmomente en masse, wirkt mit der Zeit aber auch erdrückend. Besonders unter der Volllast des Hans-Zimmer-Scores, der – nun, ja – Hans Zimmer durch und durch ist:

Schwer, erschlagend – aber auch unheimlich atmosphärisch.

Für die Bildgewalt zeigt sich auch Kameramann Greig Fraser verantwortlich, der in «Rogue One: A Star Wars Story» schon ein gutes Gespür für grossartige Panoramen hatte. Tatsächlich ist es einfach, sich in die endlosen Dünenmeere des Planeten zu verlieben. In seine orangeroten Linien und Kämme. Dazu das Glitzern im Sand: Spice in den Strahlen der tiefstehenden Sonne – Arrakis ist tagsüber zu heiss, um draussen zu sein.

Noch beeindruckender sind die ikonischen Sandwürmer. Riesengrosse Monster, die unter dem Sand leben. Grollend. Sich ständig bewegend und die Erde zum Beben bringend. Selten haben majestätische Schönheit und grauenvolle Imposanz so nahe beieinander gelegen.

Ganz klar: «Dune» ist die meiste Zeit Kinomagie pur. Ein visuelles Meisterwerk. Womöglich gar der Versuch, das langsame Abdriften der grossen Bilder in die Streamingwelt von Netflix und Co. zu bekämpfen. Erfolglos, leider. Denn «Dune», das unbedingt in einem IMAX-Kinosaal bestaunt gehört, startet zeitgleich auch auf HBO Max.

In den USA, zumindest.

Aber dann, das Problem

Dass sich die Geschehnisse in «Dune: Part One» letztendlich doch nur wie ein schwülstiger, riesenlanger Vorspann zur eigentlichen Story anfühlen, ist nicht Greig Frasers Schuld. Dafür muss sich viel eher Denis Villeneuve verantworten. Der 53-jährige ist nämlich nicht nur der Regisseur des Films, sondern auch Co-Drehbuchautor – und erzählerisch hat «Dune» Probleme.

Fast die ganzen 155 Minuten hindurch versucht Villeneuve, die hochkomplexe Welt der Bücher auf Film zu bannen. Kein einfaches Unterfangen. Denn die «Dune»-Saga, die Bücherreihe, gilt nicht nur als Glanzstück der Science-Fiction-Literatur. Sie ist auch ein nicht enden wollendes Glossar von Begriffen, Orten, Völkern, religiösen Traditionen und politischen Systemen.

Ähnlich dem, was J.R.R. Tolkiens «Lord of the Rings» fürs Fantasy-Genre ist.

Oscar Isaacs als Duke Leto Atreides
Oscar Isaacs als Duke Leto Atreides
Quelle: © 2020 Warner Bros.

Villeneuve verehrt das Quellmaterial, so viel ist sicht- und spürbar. Genau wie in den Büchern sind da exotische Planeten, bewohnt von prunkvollen Dynastien – die herrschenden Klassen in einer 10’000 Jahre entfernten Zukunft. Alle haben sie eine eigene Geschichte. Eine eigene Mythologie. Dazu Palastintrigen und Figuren im Hintergrund, die verräterische Absichten hegen. Oder auch nicht.

Bis sich aber all dieses Vorgeplänkel zum eigentlich roten Faden spinnt, dauert es schlicht zu lange. Denn der Schicksalsschlag – der erzählerische Kniff, der in jeder Geschichte die Ereignisse in Gang bringt – lässt beinahe ewig auf sich warten. Nimm «Harry Potter» zum Beispiel. Oder «Star Wars». Selbst das episch lange «Lord of the Rings»; Briefe aus dem Kamin, ermordete Zieheltern und die Übergabe des einen Ringes passieren dort in der ersten halben Stunde. Das vergleichbare Ereignis in «Dune» passiert nicht vor der Zwei-Stunden-Marke.

Das führt unweigerlich dazu, dass alles zuvor zu einem überladenen Prolog der eigentlichen Handlung verkommt. Dass der Protagonist und prophezeiter Messias, Paul Atreides, ständig Visionen einer möglichen Zukunft hat, hilft nicht. Denn die Zukunft, von der er da träumt – von Revolution, Freiheitskampf und Erlösung –, erleben wir nie. Nicht einmal ansatzweise. Vielleicht in einer Fortsetzung, die erst noch gedreht werden muss.

Das frustriert. Und all die schönen Bilder und Einstellungen – plötzlich wirken sie wie reinstes Blendwerk.

Fazit: Leider nicht fertig erzählt

Ich bin nicht dagegen, wenn Hollywood versucht zu zeigen, dass Blockbuster-Kino nicht immer schnell, hyperaktiv, infantil, laut und nervös sein muss. Ich mag es, wenn Kino auch mal Tempo rausnimmt und die Zuschauerschaft nicht für dumm verkauft.

«Dune» treibt’s aber auf die Spitze.

Das Problem liegt vor allem in seiner erzählerischen Struktur: Zwei Stunden lang etabliert der Film Mythen und Konzepte, die erst in einer Fortsetzung relevant werden, die womöglich gar nie gedreht wird. Bis dahin stirbt der Film in Schönheit.

Zendaya als Chani
Zendaya als Chani
Quelle: © 2020 Warner Bros.

Mir persönlich fehlt das «Warum». Warum schaue ich mir «Dune» an? Warum das ganze Getue um etwas, von dem ich weiss, dass es zwar kommen wird, das aber noch nicht gezeigt wird? Warum sollte mich das Schicksal des Kronprinzen Paul interessieren? Oder jenes des einheimischen Mädchens, das Paul in seinen Visionen entweder ins Verderben stürzt oder zum Ruhm verhilft – oder beides?

Irgendetwas sagt mir, dass ich Part Two benötige, um Part One zu verstehen. Ich will Part Two sogar. Unbedingt. Erst dann kann ich den wirklichen Wert von Part One richtig einschätzen.

Blende ich bis dahin die unfassbar grandiosen Schauwerte des Films aus, gleitet «Dune» in seiner Substanz wie Sand durch die Finger. Und dann endet der Film einfach. Auf höchst ironische Weise.

«This is just the beginning», sagt eine Figur zu Paul.

Abspann.

Lechz.


«Dune: Part One» läuft ab dem 16. September im Kino. Laufzeit: 155 Minuten.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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