Produkttest

Huawei Emui 10 im Test: Vielleicht doch nicht so übel

Huaweis Benutzeroberfläche Emui macht vieles neu. Ist es Zeit, dass ich meinen Kampf gegen die schlechteste Benutzeroberfläche auf den technologisch ausgefeiltesten Phones aufgeben kann?

Seit Monaten verspricht Huawei ein Update auf Android 10. Es könnte das letzte Android Update des Konzerns sein, denn die Handelsbeziehungen mit den USA sind, gelinde gesagt, schwierig. Seit Mai 2019 dürfen amerikanische Unternehmen keinen Handel mehr mit Huawei treiben, da die Regierung des US-Präsidenten Donald Trump Huawei auf eine Liste gesetzt hat, die Handelsbeziehungen verbietet.

Was hat einer der wichtigsten Partner Googles mit dem Betriebssystem gemacht? Huawei ersetzt seit Anbeginn des Smartphone Developments auf die eigene Benutzeroberfläche, die heute den Namen Emui trägt. Seit mindestens zwei Versionen, also seit Emui 8, führe ich einen Kampf gegen Emui. Die Hardware Huaweis ist immer grossartig und kaum zu übertreffen. Aber Emui ist kompletter Unsinn. Die Fonts sind hässlich, die Benutzeroberfläche knapp akzeptabel und einige Änderungen sind so widersinnig, dass sie wohl nur deshalb gemacht worden sind, weil irgendwer bei Huawei gerade konnte.

Aber: Wenn dir ein neues iPhone zu teuer ist und Android zu garstig erscheint, schau dir mal Huaweis Emui an. In der standardmässigen Bedienung und der generelle Look and Feel ist nahe an Apples iOS.

Iterativ, nicht revolutionär

Eins vorweg: Huawei verspricht zu viel. Emui 10 ist zwar solider Effort, aber nicht die fast versprochene Wiederkunft des Smartphone-Betriebssystem-Messias. Das Update auf die Beta-Version der Software ist erstaunlich klein, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Huaweis Security Updates in der Regel aus unerfindlichen Gründen gigantisch sind.

Wenn du vor dem Update Nova Launcher oder einen anderen Third Party Launcher verwendet hast, dann wird diese Einstellung geändert. Du hast jetzt, mindestens bis zur Neudefinition von Nova Launcher als Standard, den Emui Launcher. Huawei, ich versteh ja, dass du willst, dass ich mir deine neuen schönen Sachen ansehe. Aber weisst du, ich habe mich vor vielen Monden mal aktiv gegen deine Software entschieden. Ich sähe es gerne, wenn das respektiert würde.

Als erstes aber fällt auf, dass die Animationen der Bedienelemente etwas fixer vonstatten gehen. Sehr schön. Denn langsame Animationen, selbst wenn nur einige Zehntelsekunden, kosten Zeit und verschwenden selbige unnötig. Ausserdem hat das den netten Effekt, dass du den Eindruck gewinnst, dass dein Phone schneller geworden ist. Objektiv ist das zwar Unsinn, aber in der Benutzung angenehm und erfrischend.

Dann die Navigation Tray, die du von oben nach unten ziehst. Huawei hat dort den Icons einen Kreis verpasst, der im Dark Mode blau wird, wenn die Funktion aktiv ist. Und grau, wenn nicht. Das sieht aus wie bei Samsungs One UI.

Die Ähnlichkeiten zu Samsung sind spätestens dann nicht von der Hand zu weisen, wenn du die Tray noch einmal runterziehst, also den Toggle Switches den ganzen Bildschirm gibst. Dann rutschen sie ans untere Ende des Bildschirms, was die einhändige Bedienung wesentlich vereinfacht.

In den Einstellungen des Geräts hat sich auch viel getan. Aus Stock Android, der reinen Version Androids, übernommen hat Huawei die Kreise um die Einstellungen, was das Menü luftiger und dank mehr Leerraum entspannter wirken lässt. Nett.

Wenn du in der Regel einen Launcher wie Nova Launcher oder Lightning Launcher verwendest, dann hat es sich mit den Neuerungen in deinem Alltag. Denn ansonsten ist auf deinem Huawei Phone alles wie gehabt.

Morandi-Farben sollen visuelle Subtilität bringen

Für die neue Farbgebung hat der italienische Maler Giorgio Morandi Pate gestanden. Nicht persönlich, denn Morandi ist im Jahre 1964 verstorben, aber sein Werk. Morandi hat in subtilen Pastellfarben Alltagsobjekte gemalt. So ausgefeilt war Morandis Verständnis des visuellen Understatements, dass sogar Schwarz in seinen Werken einen zu krassen Akzent setzen würde.

Huawei hat sich davon inspirieren lassen und das Morandi Design entwickelt. Im Dark Mode ist das ein etwas seltsames Konstrukt, da ein Dark Mode von Schwarz lebt. Da aber Huawei Morandi als Inspiration genommen hat und ihn nicht einfach adaptiert oder imitiert hat, funktioniert das.

Morandi Design ist aber nicht nur Farbe, sondern bringt auch Lockerheit und Luft. Der Weissraum, manchmal schwarz, macht viel her und fühlt sich arg nach Apple an. In den Huawei-eigenen Apps wird der Apple-Einfluss dann deutlicher, mit einem Hauch Google Keep. Ein Beispiel: die Notizen-App.

Huawei Notes
Huawei Notes
Apple Notes
Apple Notes
Google Keep
Google Keep

Die handschriftlichen Notizen mit dem Finger sind übrigens mit allen drei Apps katastrophal amüsant. Du wirst zwar weder effizient Notizen schribseln noch diese dann lesen können, aber so als Partyspiel nach dem Motto «Ich schreib ein Wort und wer es lesen kann, der darf die Runde aussetzen» könnte das gehen.

Zeit für ein kleines Fazit. Von alten Versionen Emuis ist nicht mehr viel übrig. Die Software, gegen die ich so lange gekämpft habe, ist kaum mehr wiederzuerkennen. Nova ist vor allem in der Bedienung des Home Screens und des App Drawers nach wie vor überlegen, aber die Dialoge und das generelle Feeling Emuis gefallen.

So. Fertig. Ich setz mich mal dran und versuche, die Schriftart unter Emui 10 zu ersetzen. Der alte Hack geht glaubs nicht mehr.

19 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Produkttest

    Huawei Nova 9 im Test: Gutes Smartphone, aber der Play Store fehlt

    von Jan Johannsen

  • Produkttest

    Huawei Pura 70 Ultra im Test: 1-Zoll-Sensor und ausfahrbare Linse

    von Jan Johannsen

  • Produkttest

    Huawei P30 Pro im Test: Die Perfektion einer Plattform

    von Dominik Bärlocher

2 Kommentare

Avatar
later