Instagräme dich nicht, hier kommt die Selfie-Challenge
Ratgeber

Instagräme dich nicht, hier kommt die Selfie-Challenge

David Lee
30.4.2020
Mitarbeit: Thomas Kunz

Zur Inspiration gibt’s heute zwei Mal fünf Selbstporträts, von dämlich bis ambitioniert. Vielleicht lernst du sogar was dabei. Und sonst: Gute Unterhaltung.

Hier kommt ein neuer Fototipp für Zuhause. Tom, der Profifotograf und ich wollen natürlich Tipps geben, die euch interessieren. Auf Instagram kam mehrfach der Wunsch nach Selfies oder Selbstporträts. Das hat was: Wenn du allein zu Hause sitzt, wen sollst du denn sonst fotografieren?

Um nicht bloss die hundertste langweilige Anleitung für Selfies zu schreiben, gibt es hier stattdessen ein Spiel zum Nachmachen. Jeder macht zu Hause fünf möglichst unterschiedliche Selbstporträts. Wer schiesst die besseren Bilder? Wir haben noch die Regel aufstellt, dass ein Foto von einem Smartphone stammen muss. Die andere Person muss herausfinden, welches Foto das ist.

Tom fotografiert Tom

Tom, da kannst du mich auch mit einem absichtlich schlecht gemachten Foto nicht täuschen! Das sieht geblitzt aus. Daher nehme ich an, dass es nicht mit einem Smartphone geschossen wurde.

Toms Kommentar: «Ja genau, hier habe ich mit der Nikon D810 fotografiert. Dazu habe ich das Blitzgerät Nikon SB-700 auf der Kamera aufgesteckt. Der frontale direkte Blitz ist nicht immer passend, aber ich finde, er hat etwas Ehrliches. Er ist direkt, beschönigt nichts. Leider zeigt dieser Ausdruck wirklich etwas Echtes von mir: Wenn ich in etwas vertieft bin, presse ich die Zunge oftmals auf die Unterlippe.»

Aufnahmedaten: Nikon D810, 1/200 Sek., f/9, 50 ISO, Brennweite 35 mm. Zur besseren Vergleichbarkeit des Bildausschnitts rechne ich alle Brennweitenangaben auf das Vollformat um.


Sehr schön. Die Idee gefällt mir. Ich schliesse auch hier ein Smartphone aus, denn dann wäre das Profil im Vordergrund nicht so unscharf.

Tom bestätigt das: «Gleiches Kamera- und Blitzsetup wie beim ersten Bild. Nun habe ich mich aber seitlich über die Schulter in einen Spiegel fotografiert. Die Kleber sollen vermitteln, dass man sich selber nicht immer allzu ernst nehmen sollte.»

Aufnahmedaten: Nikon D810, 1/200 Sek., f/5.6, 50 ISO, 50 mm.


Mir gefällt der schwarze Hintergrund. Die Kamera meistert die harten Kontraste souverän. Ich weiss, dass Smartphones in diesem Punkt grosse Fortschritte gemacht haben, aber hier tippe ich dennoch auf eine Kamera mit grossem Sensor.

Wie sich herausstellt, liege ich falsch. «Mein Smartphone-Bild. Mit dem Selfiemodus gehen solche Portraits erstaunlich gut. Man sieht auf dem Smartphone live das Ergebnis. Der Schatten wurde mit dem Vorhang erzeugt. Und der Hintergrund ist schwarz, weil dort kein Licht hin kam. Das Foto habe ich anschliessend in Lightroom nachbearbeitet. Und ja klar: Mein Ziel bei der Bearbeitung war genau, den Look so ähnlich wie möglich mit den anderen Bildern zu machen. Was gar nicht so einfach war.

Aufnahmedaten: Google Pixel 3, 1/3571 Sek., f/1.8, 60 ISO, 28 mm.


Das ist wahrscheinlich auch geblitzt, kombiniert mit einer Langzeitbelichtung. Ich wüsste nicht, wie das mit einem Smartphone gehen soll.

Die Auflösung: «0,8 Sekunden Belichtung mit frontalem Blitz. Unsere Tiefgarage dient als cooler urbaner Background. Nachdem die Kamera geblitzt hat, habe ich mich leicht nach links bewegt. Die dabei entstandenen Flares der Leuchten gefallen mir sehr gut.»

Aufnahmedaten: Nikon D810, 0.8 Sek., f/9, 320 ISO, 35 mm.


Logischerweise ist das mein Smartphone-Tipp, da es alle anderen meiner Meinung nach nicht waren. Und logischerweise ist das falsch. Für die Dramaturgie des Beitrags ist das natürlich schlecht. Aber es könnte doch ein Smartphone-Bild sein, nicht? Es ist eine Weitwinkelaufnahme, wie sie für Smartphones typisch ist, es gibt keine unscharfen Stellen, und zur Dynamik sag ich besser nichts mehr ...

Tom: «Dieses Foto habe ich von meiner Haustür aus gemacht. Meine beiden Nachbarn sind natürlich gerade in diesem Moment vorbeigekommen und haben sich ohne Kommentar in ihre Wohnungen verzogen. Was die wohl gedacht haben? Das Bild wurde mit der Nikon Kamera gemacht. Das Licht passte gerade perfekt.»

Aufnahmedaten: Nikon D810, 1/1600 Sek., f/8, 320 ISO, 35 mm.

David fotografiert David

Und nun zu meinen Meisterwerken der Selbstinszenierung.

Tom weiss anscheinend ganz genau, wie ich dieses Foto gemacht habe: «Mit der Nikon-Kamera erstellt. Ohne Blitz. In deinen Augen erkenne ich verschiedene Lichtquellen. Ich tippe auf eine Wohnzimmer- oder Bürolampe von deiner rechten Seite. Man sieht einen Schatten von deiner Nase auf der linken Gesichtshälfte. Anhand dieses Schattens und der Glanzstelle im Auge denke ich, dass die Lampe leicht von unten auf dich scheint. Zudem sehe ich in deinem linken Auge ein Fenster. Wenn ich genau hinschaue, sehe ich im Fenster etwas Grünes. Ein Baum oder Busch oder so. Dieses grünliche Licht sehe ich auch auf deiner linken Gesichtshälfte im Schattenbereich.»

Ich bin beeindruckt. Die Kamera stimmt, die Lichtquellen auch, bis auf das Detail, dass es sich um einen mit Backpapier abgedeckten Halogenscheinwerfer handelt. So einer wie der hier.

Dieses Bild ist mein Versuch, ein ganz normales, neutrales Porträt zu machen. Gar nicht so einfach. Ein Grund dafür ist der Selbstauslöser. Der stellt nicht erst scharf, wenn das Foto gemacht wird, sondern bereits, wenn ich auf den Auslöser drücke. Weil ich ja in dem Moment noch nicht auf dem Stuhl sitze, fokussiert die Kamera die Wand statt das Gesicht. Ich benutze deshalb hier den manuellen Fokus.

Aufnahmedaten: Nikon D7500, f/2,2, 160 ISO, 75 mm.


Tom spekuliert: «Mit der Nikon-Kamera fotografiert. Ich vermute, dass du hier den Weissabgleich der Kamera absichtlich bläulich eingestellt und mit einem gelblich eingestellten LED dein Gesicht beleuchtet hast. Oder Photoshop. Zudem erkenne ich in deiner Brille, dass du viele Bücher besitzt und wohl gerne liest. Deine Gitarrensammlung sehe ich nicht, aber ein Piano. Vermutlich hast du in der Nachbearbeitung die Klarheit verstärkt.»

Ich halte mir für dieses Bild den sehr hellen und heissen 400-Watt-Halogenstrahler vor das Gesicht, um ein spezielles Licht zu erzeugen. Ohne Sonnenbrille geht das nicht. Um die Wirkung des harten Lichts zu verstärken, habe ich tatsächlich in Lightroom die Klarheit voll aufgedreht. Den Regler «Struktur» ebenfalls. Die Farben stammen nicht vom Weissabgleich, sondern von der Kalibrierung à la Orange & Teal. Dass die Sonnenbrille in der vollen Auflösung Details meiner Wohnung offen legt, daran habe ich nicht gedacht. Also aufgepasst: Veröffentlichst du Selfies mit Sonnenbrille, schau genau hin und reduziere gegebenenfalls die Auflösung!

Aufnahmedaten: Sony RX100 III,1/100 Sek., f/2,8, 125 ISO, 53 mm.


Tom mag keine Weitwinkelporträts. «Ein schöner Grau-Weiss-Verlauf im Hintergrund.» Sonst sagt er dazu nichts.

Für dieses Foto habe ich den Bildschirm der Kompaktkamera um 180 Grad gedreht, um mich selbst beim Abdrücken zu sehen. Von der Geometrie her könnte es durchaus ein Smartphone-Bild sein, aber wahrscheinlich haben mich die unscharfen Stellen verraten. Jedenfalls ist Tom nicht darauf hereingefallen.

Aufnahmedaten: Sony RX 100 III, 1/100 Sek., f/2.5, 125 ISO, 24 mm.


Hier tippt Tom auf die Smartphone-Aufnahme, weil alles scharf ist. Und er tippt richtig. Ansonsten: «Natürliches Licht. Die Komposition und die Kopfausrichtung finde ich sehr schön.»

Ursprüngliches Ziel: Mein Gesicht so ähnlich verfremden, wie ich es bei Wes Naman gesehen habe. Doch schon beim ersten Gummi erinnert mich das an aufgespritzte Lippen von Möchtegern-Stars und ich entschliesse mich, meinen Plan zu ändern. Im Foto zieht mir ein weiteres, unsichtbares Gummiband das Auge hoch, damit ich etwas freundlicher dreinschaue.

Aufnahmedaten: Huawei P20 Lite, 1/35 Sek., f/2, 200 ISO, 27 mm.


Toms Kommentar: «Art auf dem Sofa, am Boden und an der Wand. Cooles Kunstprojekt. Ich denke, du hast mehrere Fotos in Photoshop zusammengefügt und in Schwarzweiss umgewandelt.»

Meine Nikon-Kamera hat eine Funktion namens Mehrfachbelichtung, das hat mich auf die Idee gebracht. Tatsächlich könnte man auch Einzelaufnahmen in Photoshop zusammensetzen. Ich verwende hier einen Fernauslöser und natürlich ein Stativ. Der erste Versuch stellt mich bereits zufrieden.

Aufnahmedaten: Nikon D7500, 1/40 Sek., f/3,8, 100 ISO, 27 mm

Und was schliessen wir daraus?

Tom fühlt sich wie die meisten Fotografen hinter der Kamera viel wohler als davor. «Die Selbstportraits haben mich viel Überwindung gekostet», gesteht er. Bei mir dagegen ist die Lust am Blödeln jeweils grösser als meine Schüchternheit.

Was uns beide gleichermassen gefrustet hat: Dass der Selbstauslöser gleich zu Beginn scharf stellt. Tom hielt beim Abdrücken eine Hand dorthin, wo einige Sekunden später sein Gesicht sein sollte. Das ist natürlich unpräzise und braucht mehrere Versuche. Die einzige saubere Lösung, die ich kenne, ist die Fernsteuerung per Smartphone-App. Aber bis die Kamera endlich eine Verbindung mit dem Smartphone aufgebaut hat, kommen mir immer einige nicht jugendfreie Ausdrücke über die Lippen. Zur App greife ich wirklich nur im Notfall. Die Nikon D810 von Tom hat noch gar kein Wi-Fi. Tom, du brauchst eine neue Kamera!

Hast du bei deinen Kameras das gleiche Problem mit dem Selbstauslöser? Wie löst du es?

Und da wär natürlich noch die alles entscheidende Frage:

Wahl der Qual

Wer macht die besseren Selbstporträts?

  • Ganz klar Tom. Man sieht, wer hier der professionelle Fotograf ist.
    58%
  • David gewinnt. Mehr lila und darum besser!
    42%

Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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