Jetzt setzt auch die Möbelbranche auf Cannabis
News & Trends

Jetzt setzt auch die Möbelbranche auf Cannabis

Pia Seidel
14.8.2023

Das Unternehmen Prowl Studio aus San Francisco hat die Vorzüge von Hanf entdeckt und erforscht, was damit in der Möbelherstellung alles möglich ist. Ihr erstes Design: Ein kompostierbarer, stapelbarer Stuhl auf Basis der Naturfaser.

Von der Pflanze zum Möbel, zur Erde für die Pflanze – zirkuläre Konzepte im Design sind zwar ein hoher Anspruch, können aber durchaus umgesetzt werden. Wie das aussehen kann, zeigen die Gründerinnen Baillie Mishler und Lauryn Menard von Prowl Studio. Sie haben den Monobloc neu interpretiert, der zu den meistverkauften Möbelstücken aller Zeiten zählt und als Symbol für Fast Furniture gilt, weil er gut und günstig ist.

Nur landet er, weil er so billig ist, oft genauso schnell wieder auf dem Müll. «Fast Furniture ist ein massives Problem in der Designbranche», sagt Baillie Mishler. «Minderwertige, giftige Materialien und der ständige Druck, mit Trends mitzuhalten, führen dazu, dass allein in den USA jedes Jahr über 12 Millionen Tonnen Möbel entsorgt werden.» Der Peel-Stuhl soll die Antithese dazu sein. Er besteht aus umweltfreundlicheren Materialien und ist bis an sein Lebensende durchdacht.

Der «Peel»-Stuhl wird unter anderem aus Hanffasern hergestellt.
Der «Peel»-Stuhl wird unter anderem aus Hanffasern hergestellt.
Quelle: Pia Seidel

Auch Möbeldesign braucht eine nachhaltige Alternative

Der Rahmen von «Peel» wurde mit dem gleichen Spritzgussverfahren hergestellt wie der Monobloc, jedoch ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe. Er ist aus einem Biokunststoff, der von M4 Factory stammt und kann am Ende seiner Lebensdauer industriell kompostiert werden.

Er soll vollständig kompostierbar sein.
Er soll vollständig kompostierbar sein.
Quelle: Pia Seidel

Die von Frauen geführte Design- und Fertigungsfabrik M4 Factory kombiniert Biopolymere mit Mais und Hanffasern zu einem Biokunststoff. Letztere sind ein Nebenprodukt der industriellen Hanfverarbeitung und werden normalerweise entsorgt. «Herkömmliche Plastikstühle aus Polypropylen brauchen schätzungsweise 450 Jahre, um sich zu zersetzen», sagt Lauryn Menard. Das hanfbasierte PLA baut sich hingegen unter den richtigen Bedingungen in nur sechs Monaten ab. Die Sitz- und Rückenkissen aus einem neuartigen Hanfschaum sollen sogar zu Hause kompostiert werden können und sich laut Prowl Studio «so schnell wie eine Orangenschale» auflösen. Sie wurden mit einem Hanf-Bioleder ummantelt ist und sind gemeinsam mit dem New Yorker Materialspezialisten Studio Veratate entstanden.

Die Hanffasern für «Peel» sind ein Nebenprodukt aus der industriellen Hanfverarbeitung, das normalerweise nicht wiederverwertet wird.
Die Hanffasern für «Peel» sind ein Nebenprodukt aus der industriellen Hanfverarbeitung, das normalerweise nicht wiederverwertet wird.
Quelle: Pia Seidel

Vorteile im Möbelbau

Noch ist «Peel» ein Prototyp und das Hanf-PLA von M4 Factory etwa 10 bis 20 Prozent teurer als herkömmliches fossiles Plastik. Ob sich das ändert, wenn solche Produkte zum Mainstream werden, bleibt offen. Was der Stuhl jedoch schon jetzt klarstellt: Hanf eignet sich auch für den Möbelbau.

Bisher hat die Cannabispflanze vor allem die Textilindustrie aufgemischt, weil sie im Gegensatz zu Baumwolle gut für den Boden ist, für den Anbau keine Giftstoffe benötigt, schnell wächst und besonders robust ist. Jetzt beweist der «Peel»-Stuhl, dass Biokunststoffe tragfähig sein können – sofern Hanf eingesetzt wird.

  • Hintergrund

    Hanf-Hype: Warum die Marke Lavie jetzt auf die Naturfaser setzt

    von Pia Seidel

Es gab zwar bereits Versuche, Stühle aus industriell kompostierbarem Biokunststoff herzustellen. Jedoch sind diese oft daran gescheitert, dass das Ergebnis nicht stabil genug war. Deshalb sind meist nur die Sitzschalen aus Biokunststoff, aber nicht der ganze Stuhl. «Viele Marken verlassen sich immer noch auf Massivholz- oder Stahlrahmen, um das Gewicht des Benutzenden zu tragen, ähnlich wie die frühen Experimente mit Plastikstühlen von Leuten wie Charles und Ray Eames», sagt Baillie Mishler. Oder sie setzen den Biokunststoff bei Möbeln ein, die weniger Gewicht tragen müssen – so wie Kartell mit der Kommode «Componibili».

Die Hanffaser verleiht dem Grundmaterial von «Peel» eine Festigkeit und Steifigkeit, die es braucht, um die strukturellen Anforderungen eines Stuhls zu erfüllen. Dank dieser robusten Eigenschaften wird zudem weniger Kunststoff benötigt. Laut Angaben ist das Design deshalb leichter und gleichzeitig bis zu 90 Prozent stabiler als ein Standard-Plastikstuhl.

Der Hanf-Anteil macht den Biokunststoff strapazierfähig.
Der Hanf-Anteil macht den Biokunststoff strapazierfähig.
Quelle: Pia Seidel
Titelfoto: Pia Seidel

7 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar