Kabel-Kurs, Teil 2: Lautsprecherkabel im Detail
Ratgeber

Kabel-Kurs, Teil 2: Lautsprecherkabel im Detail

Lothar Brandt
25.7.2018

Ging es im ersten Teil unserer Audiokabel-Serie um allgemeine Grundlagen der Kabel-Technik in der High Fidelity, widmet sich der zweite Teil vertieft den Lautsprecher-Kabeln.

Mit unserer Kabel-Serie befinden wir uns auf einem ganz heissen Terrain der High Fidelity. Die einen geben fünfstellige Summen für Top-Verbinder aus, um auch das letzte Quentchen Klang aus ihrer Anlage zu holen. Die anderen halten alles Gewese um Kabel für Voodoo. Wie ich schon im ersten Teil schrieb, bin ich der Meinung, dass Klangverbesserungen innerhalb einer HiFi-Anlage zunächst mit der optimierten Lautsprecher-Aufstellung und Raumakustik beginnen sollten, bevor viel Geld in hochwertige Komponenten und Zubehör fliesst. Erst dann lohnt es sich, über Kabel nachzudenken.

  • Hintergrund

    Kabel-Kurs, Teil 1: Grundlagen und Lautsprecherkabel

    von Lothar Brandt

Typenfrage

Am besten beginnst du mit den Lautsprecherkabeln. Nach meiner Erfahrung bringen bessere, genauer besser passende Kabel hier am meisten. In der HiFi-Anlage gibt es ja Stromkabel, die so genannten NF- oder Kleinsignalkabel (etwa zwischen CD-Spieler und Verstärker), Digitalkabel, Phonokabel (vom Plattenspieler zum (Vor)Verstärker) und eben Lautsprecherkabel. So ein Lautsprecherkabel muss über eine Strecke von meist drei Metern schon eine rechte Menge an Spannung und Strom samt einem wilden Frequenzgemisch transportieren. Die Endstufen-Ausgänge des Verstärkers und die Eingänge des Lautsprechers beziehungsweise seiner Frequenzweiche bilden zudem zwei Schnittstellen, die von Typ zu Typ elektro-physikalisch ziemlich grosse Unterschiede aufweisen können.

Im Teil 1 hatten wir dargestellt, dass sich die Kenngrössen, oder, wie der Fachmann sagt, die Leitungsbeläge wie Induktivität, Kapazität oder Widerstand bei einem Kabel in gegenseitiger Abhängigkeit befinden. Es mag nun also Verstärker-Lautsprecher-Kombinationen geben, die besonders gut harmonieren mit einem Kabeltyp, während sie mit einem anderen, möglicherweise sogar teureren, eher schlapp und lustlos tönen.
Das Dumme: Es gibt nicht das eine, das beste, das ideale Kabel. Im Zweifelsfall hilft nur ausprobieren.

Die meisten Kabel sind aus Kupfer, aus gutem Grund. Es hat im Verhältnis zum Preis die besten Leitereigenschaften für elektrischen Strom. Immer wieder taucht hier die Frage nach der Reinheit auf, also wie viel Sauerstoff und andere Fremdstoffe noch in dem Kupfer drin sind. Es gibt Hersteller, die mit neunstellig hinter dem Komma sauerstofffreiem Kupfer werben (oxygen free copper, OFC), was insofern heikel ist, als es nach der fünften Stelle hinter dem Komma schon messtechnisch richtig eng wird. Wie auch immer: Wer nicht auf die Werbesprüche hineinfallen will, muss die Kristallstruktur unter dem Raster-Elektronenmikroskop selber untersuchen. Was es da an Unterschieden gibt, hat mich bei einem Besuch bei Vovox in Kriens mächtig staunen lassen. Geschäftsleiter Jürg Vogt ist unter anderem Materialwissenschaftler. Weil du wohl kaum ein ER-Mikroskop hast, solltest du Vokabeln wie «hochrein» oder «rein kristallin» mit Vorsicht geniessen.

Eine kleine Zahl von marktbeherrschenden Spezialfirmen (heute meist aus China, es gibt aber auch noch Hütten in Europa und in den USA) beliefert zudem die meisten Kabelhersteller, die also selber keinen grossen Einfluss auf die Reinheit ihres Rohstoffes haben. Ab welchem Reinheitsgrad die Unterschiede in der HiFi-Technik akademisch werden, ist umstritten. Wichtiger ist die Weiterverarbeitung. Hier spielt unter anderem die Mechanik eine grosse Rolle: Verwendet der Anbieter einen durchgehenden Leiterkern (solid core) oder büschelt er – wie meistens – jeden Leiter aus vielen Einzelleitern, den so genannten Litzen, zusammen? Laufen die Einzelleiter parallel, winden sie sich umeinander oder sind sie sogar kunstvoll verflochten? Halten sie dabei einen willkürlichen oder definierten Abstand, liegen sie locker oder stramm aneinandergepresst? All dies kann Einfluss nehmen – und sogar zur Harmonie von Lautsprecher und Verstärker beitragen oder eben nicht.

Flachbandkabel mit vielen parallel verlaufenden Litzen, abwechselnd für Plus und Minus, am Ende zusammengeführt.
Flachbandkabel mit vielen parallel verlaufenden Litzen, abwechselnd für Plus und Minus, am Ende zusammengeführt.
Solid Core Kabel mit besonderem Bananenstecker
Solid Core Kabel mit besonderem Bananenstecker
Kabel in Flechttechnik
Kabel in Flechttechnik

Es gibt auch Kupferkabel mit einem mehr oder weniger hohen Silberanteil. Sogar einige sehr teure Reinsilberkabel kursieren. Silber hat einen etwas besseren EC-Wert als Kupfer. Die Electrical Conductivity ist die physikalische Grösse, die die elektrische Leitfähigkeit eines Stoffes beschreibt. Silber hat von allen Metallen den besten, Kupfer den zweitbesten Wert, aber Silber kostet auch erheblich mehr.

Seriöse Hersteller forschen intensiv an der besten Geometrie, und auch das Isolationsmaterial spielt eine Rolle. Eine Master-Arbeit an der ETH Zürich würde wohl nicht ausreichen, alle Ansätze und Lösungen zu diskutieren. Dem Konsumenten werden viele Geschichten und auch manche Märli erzählt. Das wollen wir hier nicht. Probier es selbst aus.

Weil es keine Ideallösung gibt: Sei misstrauisch gegenüber allen, die dir eine alleinseligmachende Lösung anpreisen. Und vertrau eher dem Händler, der dich – ab einem bestimmten Preisniveau natürlich – mehrere Typen ausprobieren lässt.

Blechbrücken ade

Was du schon vorher machen kannst: Schau die Anschlüsse an deinen Lautsprechern an. Früher war da ein Paar Buchsen (mit Schwarz/Rot oder Minus/Plus bezeichnet). Heute sind da oft zwei Paare für das so genannte Bi-Wiring zu sehen (mehr zum Bi-Wiring unten). Im Auslieferungszustand sind die Paare oft mit billigen Blechbrücken verbunden. Schmeiss die baldmöglichst raus und ersetze sie durch kleine Kabelbrücken. Wenn du ein bestimmtes Kabel bereits ins Ohr gefasst hast, entsprechend diesem Kabel. Oder du führst, wenn die Buchsen nahe beieinander liegen, die abisolierten Enden von Plus und Minus durch jeweils beide Plus- beziehungsweise Minus-Anschlüsse. Bloss nicht überkreuzen. Das würde den Verstärker kurzschliessen und möglichweise zerstören.

Am besten schnell raus: Die meisten Lsutsprecher mit BiWiring-Anschluss verbinden die Frequenzbereiche aussen mit so genannten Kabelbrücken aus Blech.
Am besten schnell raus: Die meisten Lsutsprecher mit BiWiring-Anschluss verbinden die Frequenzbereiche aussen mit so genannten Kabelbrücken aus Blech.
Am besten so: kleine Kabelbrücken, möglichst die gleiche oder eine ähnliche Sorte wie das Hauptanschlusskabel.
Am besten so: kleine Kabelbrücken, möglichst die gleiche oder eine ähnliche Sorte wie das Hauptanschlusskabel.

Übrigens: Sonst immer – bei beiden Stereo-Boxen! – drauf achten, dass Verstärker-Plus auf Lautsprecher-Plus kommt. Sonst gibts verwaschene Bässe und eine unklare Mittenortung.

Schuhe oder Bananen

Ansonsten rate ich von «losen» Kabelenden ab. Kupfer reagiert sehr schnell mit Luftsauerstoff und bildet eine wenig leitfähige Patina. Deshalb haben sich zwei Steckertypen sowohl bei Verstärkern als auch Lautsprechern durchgesetzt: die halbkreisförmigen «Schuhe» (oder auch spades) und die stiftförmigen «Bananen». In vielen Erscheinungsformen. Vergoldet, messingbeschichtet, hohl oder massiv, angelötet oder vercrimpt. Achte vor allem auf die Verarbeitungsqualität dieser Stecker. Viele aktuelle Amps und Boxen lassen beide Varianten zu – zur Sicherheit nachschauen und vom Händler entsprechend konfektionieren lassen. Welche der beiden besser ist, lohnt sich nicht zu diskutieren. (Die meiner Meinung nach beste Steckverbindung, Neutrik, hat sich ohnehin erst im Profibereich durchgesetzt.) Der Zubehörmarkt bietet übrigens viele Adapter zwischen Schuh, Banane und dünnem Draht für ältere Verstärker oder Lautsprecher an. Das Anpassen dürfte kein Problem sein. Auf Dauer aber solltest du wegen möglicher elektrischer Übergangswiderstände eine möglichst direkte Connection anstreben.

Schuhe (Spades)
Schuhe (Spades)
Bananen
Bananen

Single- oder Bi-Wiring

Die meisten aktuellen HiFi- und High-End-Lautsprecher bieten heute an ihrer Aussenseite getrennte Anschlüsse für Bass und Mittel/Hochton. Beide Bereiche kann man dann mit getrennten Lautsprecherkabeln (BiWiring) oder sogar getrennten Verstärkern (BiAmping) anfahren. TriWiring und TriAmping ist seltener, gibt es aber auch. Über Sinn und Unsinn mag man streiten, vor allem ist es eine Kostenfrage. Nur sehr experimentierfreudige HiFi-Fans sollten probieren, die Frequenzbereiche mit unterschiedlichen Kabeln anzusteuern. Was auf Anhieb erst einmal gefällt, wird auf Dauer mit inhomogenem Klang oftmals lästig. Über die Jahre hinweg habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es mit einem Kabel (Single Wiring) und entsprechender Verbindung der Anschlüsse mit ähnlichen Kabelbrücken am besten klingt. Oder man nutzt ein Kabel, das schon intern für BiWiring ausgelegt ist und vier Leiter in sich vereint. Gute Händler haben da die verschiedensten Konfektionen auf Lager. Nur bei ganz wenigen, extrem ausgearbeiteten Frequenzweichen lohnte sich die getrennte Ansteuerung, aber meist mit dem gleichen Kabel bzw. Kabeltyp.

Ein Beispiel für Bi-Wiring
Ein Beispiel für Bi-Wiring

So nebenbei: Viel mehr kann es bringen, wenn du bei einem dafür gerüsteten Händler oder Hersteller die Innenverkabelung des Lautsprechers modifizieren lasst. Schliesslich liegen in der Box selbst auch mal gut und gerne ein paar Meter Verbinder. Allerdings solltest du das nur bei teuren Lautsprechern ins Auge fassen, schliesslich kostet die Massnahme, etwa bei crTech / Rohrer HiFi in Toffen eine Stange Geld.

Was darf das kosten?

Womit wir beim Wichtigsten wären. Du kannst pro Lautsprecherkabel-Meter zwischen null und 10 000 Franken ausgeben. Null, wenn du eine billige Beipackstrippe nutzt, ein altes Kabel wiederverwendest oder beim Händler zum Lautsprecherkauf (natürlich erst ab einer bestimmten Summe) als Zugabe ein passendes Kabel mit erstehst. Fünfstellig, wenn du ein exotisches Kabel in einer noch exotischeren Ausstattung haben willst. Bis auf die Händlerzugabe raten wir von alledem ab.

Beispiel für sehr teure Lautsprecherkabel: crTech LS40 aus der Schweiz
Beispiel für sehr teure Lautsprecherkabel: crTech LS40 aus der Schweiz

Budgetier mal so zwischen 5 und 20 Prozent des Preises eines Lautsprechers. Also bei einem Lautsprecher, der pro Stück 1000 Franken kostet, für die Kabel für das Paar zwischen 50 und 200 Franken insgesamt. Das ist freilich nur eine Faustregel. Der Autor hat schon einige superteure Kabel ausprobiert und war auch begeistert – doch das spielt sich im obersten High-End ab. Für HiFi-Fans mit normaler Zurechnungsfähigkeit können schon deutlich kleinere Investitionen viel bringen.

Aber nochmal (man kann es nicht oft genug sagen/schreiben): Erst einmal Lautsprecher richtig hinstellen und Raumakustik nach Möglichkeit anpassen und optimieren. Dann mal prüfen, ob es mit einer (vielleicht ausgeliehenen) Strippe in Standard-Konfektionierung besser tut. Standard-Konfektionierung heisst zwei mal drei Meter mit Steckern. Wenn ja, den Händler (bei dem du dann aber bitteschön auch das Kabel deiner Wahl kaufst) bitten, dir zwei oder drei unterschiedliche Typen auszuleihen. Möge das Beste gewinnen.

  • Hintergrund

    Wie du deine Lautsprecher richtig aufstellst und warum das wichtig ist

    von Lothar Brandt

Wie du zu Hause so einen Kabel-Hörtest machen kannst und worauf es dabei ankommt, dafür geben wir Tipps in der nächsten Folge. Die sich auch ein wenig mit den anderen Kabeln in der Anlage beschäftigen wird.

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Ich tummle mich seit über 30 Jahren als Journalist in der Audio-Branche. Dort bin ich berüchtigt als begeisterter Musikliebhaber, hoffnungsloser Analog-Fan und sehr kritischer Lautsprecher-Beurteiler. Was wohl mit kläglichen Versuchen zusammenhängt, Geige und Schlagzeug besser als nur amateurhaft zu spielen. Eine Zeitlang lebte und arbeitete ich der Schweiz, meinem erklärten Lieblingsland. Dorthin kehre ich immer wieder gerne zurück. 


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