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Hintergrund

Kokain in Coca-Cola: Ein Blick in die Geschichte und eine Rechnung von heute

Ja, da war Kokain im Coca-Cola. Nein, da ist keines mehr. Der Grund, warum du das nicht weisst, ist die Firmenpolitik der Coca-Cola Company. Ein Blick in die Geschichte zeigt einen Sturm aus Kultur, Rassismus, Religion, Drogen und Erfindergeist.

Antworten aber hat Autor Mark Pendergrast. In seinem Buch «For God, Country & Coca-Cola: The Definitive History of the Great American Soft Drink and the Company That Makes It»liefert er den Beweis.

Ja, da war Kokain im Coca-Cola.

Nein, jetzt ist es nicht mehr da.

Wäre das Kokain immer noch da, dann wäre das Getränk um ein Vielfaches teurer als eine heute übliche Dosis Kokain.

Die wollen nicht, dass du das weisst

Der Grund, weshalb du nichts davon weisst oder weshalb mit dem Thema nicht offen umgegangen wird, liegt laut Pendergrast darin, dass «The Coca-Cola Company» ihre eigene Geschichte gerne etwas schönt. Drogen im Soft Drink sind unschön, weshalb die Company diesen Aspekt ihrer Geschichte gerne totschweigt.

Pendergrast aber hat laut eigenen Angaben das Originalrezept des Vorgängers des Coca-Cola in seinem Besitz. Denn die Drogengeschichte Coca-Colas ist tief in der Geschichte des Drinks verwurzelt und beginnt noch bevor die erste Soda Fountain in Atlanta ein Glas Cola ausgeschenkt hat.

Coca-Cola ist in den 1880er-Jahren entstanden. Eine Zeit, in der sich die Menschen stark für gesundheitsfördernde Getränke interessiert haben. Für jedes Wehwehchen hat ein findiger Geschäftsmann ein Tonikum auf den Markt gebracht. Kopfweh? Tonikum. Halsweh? Anderes Tonikum. Aids? Hat man damals noch nicht entdeckt, aber wenn, dann wäre da sicher ein Tonikum irgendeines Quacksalbers gewesen, das Heilung versprochen hätte.

Dazu war gerade die Temperance-Bewegung in aller Munde und fand unter Legislatoren breiten Zuspruch. Die Bewegung wollte den Alkohol als Ursprung aller Sünde verbieten. Im Jahre 1886 hat Atlanta den Alkohol entweder ganz verboten oder dessen Verkauf stark eingeschränkt. Da viele der Tonika auf Alkohol basierten, musste eine Lösung her. In diese Bresche sprang John Stith Pemberton, Chemiker und Morphiumsüchtiger.

Um dem zeitlichen Kontext der Erfindung Coca-Colas noch eine Dimension hinzuzufügen: Was wir heute als harte Drogen bezeichnen, Kokain unter anderem, war damals noch nicht verboten. Dieser Aspekt ist für die ganze Geschichte um das Kokain in Coca-Cola von enormer Wichtigkeit. Anno 1886 gab es allerlei Produkte, die offen mit ihrem Kokaingehalt geworben haben.

Wie viel Kokain war denn nun in Coca-Cola?

Um die Menge Kokain in Coca-Cola wird seit jeher gestritten. Die verlässlichsten Zahlen stammen aus dem Rezept für French Wine Coca.

Im Rezept für French Wine Coca steht, dass zehn Pfund Cocablätter in drei Gallonen Wasser eingelegt werden sollen. Also 4.536 Kilogramm Blätter auf 11.356 Liter Wasser.

Das können wir ausrechnen. Auf 136.27 Liter Konzentrat also kommen 19.845 Gramm Kokain.

Ein Glas Coca-Cola, das du damals in den Soda Fountains kaufen konntest, hatte laut Rezept eine Flüssigunze Konzentrat. Das sind 29.57 Milliliter. Damit können wir ausrechnen, wie viel Kokain in einem Glas Coca-Cola nach Originalrezept war.

Pro Glas Coca-Cola hat ein Sodatrinker rund 4.3 Milligramm Kokain zu sich genommen. Das ist eine vergleichbar kleine Menge Kokain, aber wenn du Kokain mit Koffein kombinierst, dann wird die Wirkung des Kokains verstärkt.

Die Schwarzen sind Schuld

Coca-Cola wird allen zugänglich. Denn selbst wenn die Welt um 1900 in den USA kein Problem mit Kokain hatte, so hatte sie doch ein Problem mit Dunkelhäutigen. Diesen ist der Zugang zu Soda Fountains verwehrt, genau wie den Ärmeren und denen, die ausserhalb der grossen Städte wohnen.

Negro Cocaine «Fiends» Are a New Southern Menace: Murder and Insanity Increasing Among Lower Class Blacks Because The have Taken to «Sniffing» Since Deprived of Whisky by Prohibition.
New York Times, 8. Februar 1914

Doch die Welt war sich einig. Es waren nicht die weissen Farmer, die ihre Schwarzen mit Kokain gefüttert haben, die Schuld an den Einzelfällen waren. Es war Coca-Cola in Flaschen. Das damals rassistische Amerika war sich sicher: Es waren die Schwarzen. Ganz klar. Aber Coca-Cola in Flaschen war auch so Bitzli fest Schuld, selbst wenn ein Weisser Christ hinter dem Konzern steht.

Das Kokain muss weg

Reverend Lindsay ist anno 1898 von Oregon nach Atlanta gezogen und hat dort eine Baptistengemeinde übernommen. Ein wiederkehrendes Element seiner Predigten war Coca-Cola. «Coca-Cola besteht zu zwei Dritteln aus reinem Kokain», soll er vom Altar gewettert haben. Wenn eines seiner Schafe Coca-Cola trinke, dann führe das dazu, dass es bald schon «Morphium fresse».

Asa Candler und die noch junge «The Coca-Cola Company» – immer mit «The» und Bindestrich – stehen unter Druck, denn die feurigen Predigten des Reverends haben bei Abdruck für gute Verkaufszahlen bei Zeitungen gesorgt. Asa Candler, selbst tiefreligiös, war sich sicher, dass er der Menschheit nicht schade: «Ich würde nie vorschlagen, etwas zu verkaufen, oder beim Verkauf zu helfen, wenn ich wüsste, dass es jemandem Schaden zufügt».

Trotzdem: Auf den Strassen randalieren die wilden Schwarzen und die Religion hat sich gegen Candlers Lebenswerk gestellt. Der Rassismus wird in den USA salonfähig. Anno 1906 findet in Atlanta – der Heimatstadt Coca-Colas – ein rassistisch motivierter Aufstand statt. Es sind zwar nicht die Schwarzen, die randalieren, sondern die Weissen, die die Schwarzen angreifen, aber am Ende sind die Schwarzen Schuld. Und Kokain.

Use of the drug among negroes is growing to an alarming extent. . . . It is stated that quite a number of the soft drinks dispensed at soda fountains contain cocaine, and that these drinks serve to unconsciously cultivate the habit.
The Atlanta Constitution, 1901

Asa Candler muss sich vor dem Richter erklären.

«Da ist eine sehr kleine Menge Kokain in Coca-Cola», gibt er zu.

Bei normaler Zubereitung hat der Bub 43 bis 86 Milligramm Kokain zu sich genommen. Aber in Atlanta halten sich nicht alle Soda-Fountain-Betreiber an die Richtlinien der The Coca-Cola Company. Sie benutzen Überlieferungen zufolge bis zu viermal so viel Konzentrat in einem Glas Coca-Cola. Das wären dann 172 bis 344 Milligramm Kokain am Tag.

Der Druck auf Candler und sein Getränk wird zu gross.Er entfernt Kokain grösstenteils aus der Formel. Ein kleiner Rest aber bleibt. Trotzdem, ein Pamphlet findet seinen Weg aus den Büros der «The Coca-Cola Company» auf dem gesagt wird, dass es «etwa 30 Gläser Coca-Cola» benötige um «eine normale Dosis der Droge» zu schaffen. Dieser Rechnung nach wäre eine normale Dosis etwa 129 Milligramm Kokain.

Ein Jahr später, 1902, steht Candler erneut vor Gericht. Wieder Kokain. Wieder Rassismus. Die Schwarzen saufen Coca-Cola nach wie vor aus der Flasche. Der sonst eloquente Candler selbst stolpert an dieser Verhandlung über seine eigenen Worte. Er soll hämmernde Kopfschmerzen haben. Candler, der selbst gerne Coca-Cola trinkt, ist wohl auf kaltem Entzug.

Marketing ist besser als Geschichte

In der Folge der Dekokainisierung Coca-Colas sieht sich Candler einer neuen Herausforderung gegenüber. Wenn Kokain schlecht sein soll, dann hat er während Jahren etwas Schlechtes an Frauen und Kinder verkauft. Und, schlimmer noch, war er vielleicht Schuld an den wilden Schwarzen Mobs auf den Strassen? Den Vergewaltigungen der weissen Frauen? Den Prügeln, die feine weisse Geschäftsmänner von ihren Schwarzen kassiert haben?

Für ein Unternehmen wie die «The Coca-Cola Company» undenkbar. Denn laut der Company ist Coca-Cola ein nettes und gesundes Getränk. Ein Getränk für alle. Etwas, das der Menschheit gut tut. Dann war da noch die kleine Nebensache, dass dem Getränk nun eine stimulierende Schlüsselzutat fehlt.

Asa Candler beschliesst, dass Coca-Cola nie Kokain enthalten hat. Entgegen aller Wahrheit.

Werbekampagnen werden lanciert. Die Hauptaussage: Coca-Cola ist gesund, war gesund, bleibt gesund. Asa Candler gibt in den folgenden Jahren unter Eid an, dass Coca-Cola nie Kokain enthalten hat. Vielleicht glaubt er es mittlerweile selbst, vermutet Pendergrast in seinem Buch.

Im Jahre 1902 verbietet der US-Bundesstaat Georgia den Verkauf von Kokain in jeder Form.

Kokain im Jahre 2020

Trotzdem: Kokain existiert nach wie vor. Wenn du willst, findest du eine Line Koks innerhalb von zehn Minuten an der Zürcher Langstrasse.

Der Konsum von Kokain birgt grundsätzlich das Risiko starker gesundheitsgefährdender Nebenwirkungen (Schlafstörungen, Gereiztheit, Aggressivität, Angst- und Wahnzustände, Depression etc.) sowie ein grosses Risiko einer psychischen Abhängigkeit!
Saferparty, Kokainreport Q1 2020

Nach ursprünglichem Coca-Cola-Rezept, zubereitet so wie es von Asa Candler vorgesehen war, hätte ein Trinker eine heute normale Dosis Kokain mit dem Konsum von 24 bis 48 Gläsern Coca-Cola zu sich genommen. Bei vierfacher Dosierung wären das noch 6 bis 12 Gläser.

Kostenfrage: Kokain oder Coca-Cola?

Mit all diesen Daten können wir weiterrechnen. Wenn wir heute noch Coca-Cola nach Originalrezept hätten, also mit Kokain, dann müssten wir mindestens 24 Gläser Coca-Cola trinken um auf eine Dosis von 100 mg Kokain zu kommen. Oder 48, wenn wir die 200 mg wollen.

Historisch gesehen hat Coca-Cola einen der stabilsten Verkaufspreise eines Produkts. Zwischen 1886 und 1959 hat eine Flasche Coca-Cola 5¢, also $0.05 gekostet. Das macht für 100 mg Kokain $1.20. Für 200 mg $2.40. Das war damals. Wenn die Preise der Inflation angepasst werden, dann würde die kleine Portion Kokain $36.63 kosten. Die 200 mg kämen einen Kokaintrinker auf $73.25 zu stehen. Das wären 35.52 oder 71.04 Franken.

Es ist also günstiger, Kokain zu trinken als Coca-Cola nach Originalrezept zu trinken.

Das war historisch auch schon so. Coca-Cola war immer teurer als Kokain. Pendergrast schreibt in seinem Buch, dass die Farmer, die den Schwarzen auf ihren Höfen Kokain anstelle echter Nahrung gekauft haben, eine «Wochenration für 50¢» erstanden haben. Das würde in Coca-Cola einer Menge von 43 mg Kokain pro Woche entsprechen, also nicht einmal einer oralen Dosis.

Wenn wir jetzt also einen Schuldigen suchen würden, warum wir von Coca-Cola nicht mehr high werden dürfen, dann sind das die weissen Farmer. Oder das Gesundheitsbewusstsein der Menschen des 20. Jahrhunderts.

Selbst wenn wir nach wie vor Coca-Cola nach Originalrezept trinken würden, wir müssten knapp 50 Gläser Cola für eine Dosis trinken. Das lohnt sich nicht.

So. Fertig. Cocablätter, die in Südamerika gekaut werden, haben übrigens wenig mit Kokain zu tun. Kokain wird aus einem Alkaloid in den Blättern gewonnen. Trotzdem ist der uralte Kulturbrauch des Cocablattkauens in vielen Südamerikanischen Ländern verboten.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

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