
Ratgeber
Welche Fettsäuren guttun – und welche du meiden solltest
von Anna Sandner
Enthält Leinöl wirklich Blausäure und wird es beim Erhitzen giftig? Macht es schlauer oder senkt es Krebsrisiken? Ein Faktencheck zu den hartnäckigsten Mythen rund ums Omega-3-reiche Pflanzenöl.
Bestimmt hast du schon mal gehört, dass du am besten fetten Seefisch essen solltest, wenn du mehr Omega-3-Fettsäuren aufnehmen möchtest. Aber stimmt das wirklich? Spoiler: Jein. Zwar enthalten Hering, Lachs, Makrele und Co. unbestritten viel Omega-3, aber wenn es um die Aufnahme der wichtigen und richtigen Fette geht, gibt es durchaus Alternativen: Leinöl zum Beispiel.
Wenn es um Omega-3-Fettsäuren geht, ist Leinöl der «Hidden Champion» unter den Speiseölen. Warum? Es enthält besonders viel Alpha-Linolensäure (kurz: ALA), eine pflanzliche Omega-3-Fettsäure, die dein Körper dringend braucht – aber nicht selbst herstellen kann. Während andere Speiseöle wie Raps- und Sojaöle etwa sieben bis zehn Prozent ALA enthalten, kann das Öl aus Leinsamen mit bis zu 60 Prozent aufwarten. Schon ein Esslöffel übertrifft damit den empfohlenen Tagesbedarf von 1,5 bis zwei Gramm ALA eines gesunden Erwachsenen.
Zum gesunden Fett aus Fisch besteht aber ein Unterschied: Während Lachs und Co. die quasi schon «fertigen» Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA enthalten, muss dein Körper zumindest einen Teil davon aus ALA erst selbst herstellen. Dabei ist die Umwandlungsrate nicht gerade hoch und variiert von Person zu Person – trotzdem reicht es, um den Grundbedarf zu decken. Und für alle, für die Fisch keine Alternative ist, weil sie sich zum Beispiel vegan oder vegetarisch ernähren, ist Leinöl der Joker im Küchenschrank.
Ein Blick auf die Studienlage zeigt, was das Pflanzenöl noch zu bieten hat:
Bei so vielen positiven Ergebnissen muss es sicher auch einen Haken geben. Zeit für einen kleinen Faktencheck.
Noch ist die Studienlage zu dünn, um das klar zu beurteilen. Aber: Es gibt erste Hinweise. Gut untersucht ist bisher der Zusammenhang zwischen bestimmten Pflanzenstoffen aus Leinsamen, den sogenannten Lignanen, und Brustkrebs. Studien zeigen: Frauen, die besonders viele dieser Lignane im Blut haben, sterben seltener an Brustkrebs – das Risiko war in einer großen Untersuchung um 42 Prozent niedriger. Dieser Effekt bezieht sich allerdings auf Lignane aus Leinsamen und nicht direkt auf Leinöl. Im Öl stecken davon nur sehr geringe Mengen. Auch für Prostata- und Darmkrebs gibt es erste positive Hinweise aus kleineren Untersuchungen, die jedoch noch weiter bestätigt werden müssen.
Stimmt das? Teilweise. Leinöl ist tatsächlich empfindlich – am besten hält es sich, wenn es kühl, dunkel und luftdicht verstaut wird. Wenn du es im Kühlschrank lagerst und innerhalb von vier bis sechs Wochen verbrauchst, bleibt es frisch und lecker. Was die Bitterkeit angeht, kommt die meist von schlechter Qualität oder falscher Lagerung. Also: Kauf Leinöl besser in kleinen Flaschen, damit du es verbrauchst, bevor es bitter und ranzig wird.
Klingt erstmal dramatisch, aber keine Panik: Leinsamen enthalten tatsächlich sogenannte cyanogene Glycoside, die im Körper zu giftiger Blausäure (Cyanid) umgewandelt werden können – aber nur, wenn du riesige Mengen roher Leinsamen isst. Das ist wirklich nicht empfehlenswert. Im Leinöl landen diese Stoffe beim Pressen aber so gut wie gar nicht. Bedeutet: Dein Löffel Leinöl im Müsli ist unbedenklich.
Auch das hält sich hartnäckig. Fakt ist: Leinöl ist empfindlich und sollte wirklich nicht zum Braten oder Backen verwendet werden. Beim Erhitzen gehen die wertvollen Omega-3-Fettsäuren verloren, und das Öl kann schneller ranzig werden. Außerdem können bei starker Erhitzung tatsächlich gesundheitlich bedenkliche Verbindungen entstehen. Aus diesem doppelten Grund solltest du Leinöl lieber kalt genießen – zum Beispiel über Salat, Quark oder im Müsli.
Auch wenn das gerne behauptet wird: Die Sache ist nicht ganz so einfach. Zwar werden Omega-3-Fettsäuren immer wieder mit einer besseren Gedächtnisleistung, einem größeren Gehirnvolumen und sogar einem geringeren Alzheimer-Risiko in Verbindung gebracht – aber das gilt vor allem für die Omega-3-Fettsäuren aus Fisch (EPA und DHA). Ob Leinöl mit seinem pflanzlichen Omega-3 (ALA) denselben Effekt hat, ist wissenschaftlich bisher nicht eindeutig belegt. Also: Leinöl ist gesund, aber dass du davon schlauer wirst, müsste erst noch bewiesen werden.
Leinöl ist kein Wundermittel, aber ein echtes Multitalent in deiner Küche. Es liefert dir pflanzliches Omega-3, schützt Herz und Hirn, hilft gegen Entzündungen und könnte sogar das Krebsrisiko senken – zumindest deuten erste Studien darauf hin. Wenn du jetzt noch wissen willst, welches der vielen Leinöle, die es auf dem Markt gibt, am besten abschneidet, findest du hier die Ergebnisse eines Stiftung-Warentest-Vergleichs.
Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.