

Schenk mir keinen Pinguin und ich bin glücklich
Einmal habe ich Sympathie für Pinguine gezeigt. Schnell war ich durch Geschenke selbst auf dem Weg zum seltsamen Vogel. Doch als Sammler wider Willen wollte ich nicht enden.
Meine Pinguin-Phase, die nie eine werden sollte, liegt zum Glück schon einige Jahre zurück. Ziemlich genau zwanzig dürften es sein, denn 2005 kam der Film «Die Reise der Pinguine» in die Kinos. Ich mochte ihn. Mehr war da nicht. Die Tiere sind eben drollig.
Irgendwann in dieser Zeit lachte ich vielleicht einmal zu laut über einen verwirrten Frackvogel und machte ein paar unscharfe Fotos von den Tieren in freier Wildbahn. Schon war ich auf dem Weg zum verrückten Pinguin-Mann, dem man sicher alles, was nach Pinguin aussieht, bedenkenlos schenken kann.

Quelle: Michael Restin
Den ersten Wandkalender nahm ich noch entspannt entgegen. Nach zwölf Monaten würde er so oder so Geschichte und vermutlich seit März nicht mehr umgeblättert worden sein. Das nächste Geschenk war womöglich ein Buch, ich weiss es gar nicht mehr.
Auf jeden Fall war es ein Pinguin zu viel.
Der Moment, in dem ich sagen musste: danke, Ende. Pinguine gerne in freier Wildbahn, aber bitte nicht an meiner Wand oder auf meinem Schreibtisch. Sonst hätte ich inzwischen vermutlich eine Pinguin-Maus in der Hand und würde meine Pinguin-Tasse aus einer Pinguin-Flasche füllen.
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Im Kleinen kennt das jedes Kind. Wer gerne zeichnet, wird mit Stiften, Blöcken und Malbüchern überhäuft, bis der Schreibtisch darunter verschwunden ist. Wer als Lieblingsfarbe Blau angibt, findet irgendwann seine blauen T-Shirts auf dem blauen Duvetbezug nicht mehr. Wer auf Einhörner abfährt, hat schnell das ganze Zimmer voll davon.
Im Unterschied zu Erwachsenen dürfen sich Kinder im Dreimonatstakt neu erfinden. Niemand nimmt es ihnen krumm, wenn der Kram rausfliegt und durch eine neue Vorliebe ersetzt wird. Anders läuft es, wenn du später im Leben in die monothematische Geschenkfalle tappst. Oder in meinem Fall: watschelst.
Stopp sagen, bevor es zu spät ist
Zwischen Erwachsenen ist – wie immer – alles komplizierter. Die meisten besitzen schon, was sie wirklich wollen. Dem Kaffeefreund den siebtbesten Tamper in seiner Sammlung oder der Katzenliebhaberin das sechsundzwanzigste Tierspielzeug zu überreichen, ist sinnlos und für mindestens eine Seite unangenehm.
Das macht die Kategorie «verrückte Geschenke» rund um ein vermutetes Interesse zum Strohhalm, nach dem viele, die auf der Suche nach etwas Persönlichem sind, nur zu gerne greifen. Es reicht unter Umständen schon, im Zoo einmal zu lange verträumt lächelnd vor einem Gehege zu stehen. Schon klickt sich deine Begleitung durch hunderte Pinguin- oder Papageien-Produkte.
Die Motive der Schenkenden sind edel. Sie lassen Pralinen, Wein und Blumen links liegen und machen sich wirklich Gedanken. Oft mehr als die Beschenkten selbst. Die Geste gebührend wertzuschätzen und gleichzeitig zu verhindern, dass aus der netten Idee ein Trend wird, ist gar nicht so einfach. Zu viel Freude zu zeigen, könnte Nachahmer auf den Plan rufen. Zu viel Irritation wäre schlicht undankbar.
Sammeln als Akt der Nächstenliebe
Ich ahne, dass manche Menschen, die in Wohnungen voller Tier-Devotionalien sitzen, es nicht ganz freiwillig tun. Sie haben einfach nie Stopp gesagt und werden jahrzehntelang getreu ihrer zum Selbstläufer gewordenen Vorliebe bedacht. Die Frage nach dem passenden Präsent stellt sich nicht mehr, was praktisch für alle Beteiligten ist. Aus Geschenken wird eine Sammlung, aus der Sammlung wird ein mit der Person verbundener Spleen: Das ist doch der mit den Pinguinen. Dabei ist Sammeln nur schön, wenn es wirklich zum Hobby wird.
Das Outing, die Sachen lieber heute als morgen aus der Wohnung werfen zu wollen, wäre mir mit jedem Jahr und jedem Geschenk schwerer gefallen. Leute, hört mal zu: Vielen Dank für alles, aber Pinguine sind gar nicht mein Ding. Mein Leben als Sammler wäre ein einziges Missverständnis gewesen.
Ich hätte mich dafür entscheiden können, die Sachen zu behalten und als das zu sehen, was sie sind: Kleine Beweise dafür, dass andere an mich gedacht haben. Eigentlich eine viel sympathischere Haltung, aber so viel Selbstlosigkeit bringe ich nicht auf.
Die Reise der Pinguine endet hier
Bei mir kommt vieles zusammen, was Geschenksuchende nicht mögen. Kein Krawattensammler. Null ausgefallene Hobbys. Ich bin nicht einmal selbst gut darin, Dinge für mich auszuwählen. Ich weiss nur, was ich nicht will. Deshalb habe ich meine Pinguin-Sammlerkarriere abgewürgt, bevor sie beginnen konnte.
Natürlich mag ich die Tiere noch. Bei ihnen kommt alles zusammen, was Menschen instinktiv anspricht. Der lustige Frack, die tapsige Art, sich an Land zu bewegen, die flauschigen Küken. Wenn es Pinguine nicht gäbe, müsste Pixar sie erfinden. Und mit den paar Polarbewohnern, über die ich auf Karten oder als Schlüsselanhänger immer noch gelegentlich stolpere, kann ich sehr gut leben. Mehr müssen es nicht werden. Sorry, liebe Freunde, Verwandte und Pinguine.

Quelle: Michael Restin
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.
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