Schnell, laut und äusserst spannend: Warum ich vom Fussball- zum Handballfan mutiere
Hintergrund

Schnell, laut und äusserst spannend: Warum ich vom Fussball- zum Handballfan mutiere

Seit Kurzem spielt meine Tochter Handball. Zu «Studienzwecken» haben wir uns darum letzthin ein Spiel der Nationalliga A der Männer angeschaut. Und da war einiges los.

Handball war für mich als ehemaliger Juniorenfussballer bisher ein seltsamer Sport. Wer kommt schon auf die Idee, einen Ball mit den Händen zu werfen, statt ihn zu kicken? Ausserdem sind mir die Regeln nicht ganz klar. Mal wird eine Aktion in der Halle abgepfiffen, mal bleiben die Pfeifen der beiden Schiedsrichter bei einer identischen Situation stumm. Mal gibt's zwei Minuten, mal sieben Meter. Ausserdem verwirren mich die vielen Linien auf dem Hallenboden, die zwar für Unihockey, Volley- oder Basketball eine Bedeutung haben, aber nicht für den Handball. Und umgekehrt. Kurz gesagt: Fussball verstehe ich, Handball eher nicht. Vielleicht hilft ja Wikipedia weiter.

Allerdings ist nicht wirklich erhellend, was da auf der Wissensplattform zu lesen ist. Im Gegenteil, es verwirrt mich eher noch zusätzlich. Das wäre auch egal, wenn meine Tochter nicht seit Kurzem in der U14 des lokalen Handballvereins bei uns im Dorf mittun würde. Und darum will ich das Spiel besser verstehen.

Wenig Publikum, viel Stimmung

Szenenwechsel. Ein Samstagabend in der Sporthalle Birsfelden. Unter anderem tragen hier die Herren der 1. Mannschaft des RTV Basel ihre Heimspiele aus. Heute geht es gegen den Tabellennachbarn BSV Bern. Zwei Schweizer Traditionsvereine, die beide schon bessere Handballzeiten erlebt haben. Beide Teams hängen in der obersten Spielklasse unten im Keller, entsprechend wichtig ist der Sieg, um noch eine Chance auf die Play-Offs zu haben. Das lassen meine Tochter und ich uns nicht entgehen.

Volle Konzentration aufs Spiel auch auf der Tribüne.
Volle Konzentration aufs Spiel auch auf der Tribüne.

Die Berner starten besser in die Partie und gehen schliesslich mit einem Viertorevorsprung in die Pause. Speziell das letzte Tor Sekunden vor der Sirene offenbart die grosse Schwäche der Basler heute: Sie verteidigen nicht konsequent genug. «Das regt mich auf», enerviert sich meine Tochter beim Pauseneistee. «Die Spieler des RTV verteidigen nicht gut. Nur die Nummer 11 macht das so, wie es sein sollte.» Ihre Augen funkeln.

Heute Abend hat es vielleicht drei- oder vierhundert Zuschauerinnen und Zuschauer in der Halle. Eigentlich zu wenig für ein Spiel der obersten Schweizer Handball-Liga. Wie sagt man so schön? Randsportart. Dafür ist die Stimmung umso beeindruckender. Vor allem der mitgereiste Berner Anhang macht sich lautstark bemerkbar. Jedes Tor und jede gelungene Aktion wird frenetisch bejubelt. Überhaupt fällt mir auf, wie laut Handball ist. Wenn der Ball zum Beispiel an die Latte oder den Pfosten des Tores klatscht, macht das einen Höllenlärm. Ich glaube, das nächste Mal packe ich mir ein paar Ohrenstöpsel ein.

Nach einer Viertelstunde geht's weiter und die Basler kommen besser aus der Kabine. Ihr Trainer scheint die richtigen Worte gefunden zu haben. Hinten wird besser verteidigt, vorne konsequenter abgeschlossen. Zur Mitte der zweiten Halbzeit liegt der RTV noch mit einem Tor hinten und scheint das im Sport viel beschworene Momentum auf seiner Seite zu haben.

Es läuft in der zweiten Halbzeit für den RTV bis ...
Es läuft in der zweiten Halbzeit für den RTV bis ...

Dieses Spiel hat Hand und Fuss und einen gebrochenen Arm

Doch dann verletzt sich der Torhüter des RTV Basel. Bei einer Rettungstat knallt er mit dem linken Oberarm gegen den Pfosten und muss nach kurzer Pflege ausgewechselt werden. Ich bin kein Arzt, aber von aussen betrachtet sieht es sehr nach einem gebrochenen Arm aus. Meine Tochter und ich wünschen auf jeden Fall gute Besserung.

Und dieser vermeintliche Armbruch bedeutet auch einen Bruch im Spiel der Basler. Plötzlich gelingt wenig, vorne wie hinten und die Berner ziehen wieder davon. Das Heimpublikum, das in der zweiten Halbzeit aus seiner Lethargie erwacht war und nun stimmungsmässig mit den Bernern mithalten konnte, verstummt nach und nach. Am Ende dominieren in der Halle wieder die rot-weissen Fans mit ihrem «Be, Äs, Fou» und der BSV gewinnt 36:30.

So sehen Sieger aus ...
So sehen Sieger aus ...
... so Verlierer.
... so Verlierer.

So machen sich meine Tochter und ich mit vielen neuen Eindrücken auf den Heimweg. Was bleibt? Mich hat die Stimmung beeinduckt. Das liegt allerdings hauptsächlich an den Gästefans. Ausserdem ist mir einmal mehr schmerzlich klar geworden, wie nervig das ewige Simulieren gewisser Fussballer eigentlich ist. Beim Handball geht's zur Sache. Das Spiel ist extrem physisch, trotzdem wird nicht simuliert. Sogar der verletzte Torhüter des RTV hat im ersten Moment weiterspielen wollen. Mir hat's gefallen und der Handball einen neuen Fan.

Und meine Tochter? Sie nervt sich auch nach Spielschluss noch immer über die Defensive des RTV: «Die Basler haben heute wirklich nicht gut verteidigt. So gewinnt man halt kein Spiel.» Diesem Sachverstand ist nichts mehr beizufügen.

Eintauchen in fremde (Sport)welten

Die eigene Bubble ver- und sich auf neue Erfahrungen einlassen. Ist Schwingen altmodisch, Baseball langweilig und Boxen mehr Show als Sport? Diesen und ähnlichen Fragen gehe ich in unregelmässigen Abständen auf den Grund. Bisher zu diesem Thema erschienen:

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.


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