«Madame Web»: Fifty Shades of Trash
Filmkritik

«Madame Web»: Fifty Shades of Trash

Luca Fontana
13.2.2024

Das Sony-Spider-Verse dümpelt zwischen Langeweile und schlechtem Geschmack. Aber bevor du denkst, dass das ein lahmer Witz ist, warte ab, bis du «Madame Web» gesehen hast. Selbst Dakota Johnson aus «Fifty Shades of Grey» kann dieses Desaster nicht retten.

Eines vorweg: In dem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.

«Dafür musste ich also den sagenumwobenen ‘Beef el Loco'-Burger aus der Kantine sausen lassen!?», raune ich vor mich hin, während noch der Abspann läuft. Die Pressevorführung war nämlich am Mittag angesetzt. Jetzt hocke ich da. Ohne Burger. Dafür mit Fragen. Fragen über den Sinn und Unsinn eines Films, der keine Gelegenheit ausgelassen hat, mir mentale Schmerzen zuzufügen.

Erinnerst du dich zum Beispiel ans ikonische «With great power comes great responsibility» aus gefühlt jedem «Spider-Man»-Film?

Ja, es kommt wieder. Aber anders. Halte dich fest:

«If you accept responsibility, great power will come.»

Himmel, Herrgott.

Darum geht’s in «Madame Web»

Cassandra Webb (Dakota Johnson) ist keine gewöhnliche Rettungssanitäterin. Das findet sie heraus, als sie nach einer Nahtoderfahrung beginnt, Bruchstücke der Zukunft zu sehen. Darin: Ein Mann, Ezekiel Sims (Tahar Rahim), schwarzer Anzug, das Gesicht hinter einer düsteren Maske versteckt – und drei junge Mädchen, nach deren Leben er trachtet.

Woher ihre Kräfte kommen? Und wieso sie ausgerechnet die Zukunft des Mannes und der Mädchen sieht? Unklar. Aber im Netz der unendlichen Möglichkeiten beginnt sich langsam ein Muster abzuzeichnen: Der Mann war bei Cassandras Mutter, als sie im Dschungel des Amazonas auf der Suche nach einem mysteriösen Spinnenvolk, das Superkräfte verleiht – Las Arañas –, ums Leben kam. Schon bald wird Cassandra klar, dass sie eine viel wichtigere Rolle im Leben aller Beteiligten spielt, als ihr anfangs bewusst war.

Sinn? Fehlanzeige. Einfach nur Mist.

So spannend die Prämisse klingt: Mach dir keine Hoffnungen, «Madame Web» ist ein totales Desaster. Fällt komplett durch. Hat keine Logik. Keine nachvollziehbare Story. Oder Figurenzeichnung. Das wird mir bewusst, je mehr ich über den Film nachdenke. Angefangen beim Bösewicht.

Seine Motive? Nun ja, er will halt die Superkräfte der Spinnen aus dem Amazonas haben. Dafür über Leichen zu gehen, ist ihm recht. Als Bodyguard von Cassandras Mutter macht er das. Das wäre für mich in Ordnung, wenn er nicht später im Film plötzlich stinkreich wäre und Frauen in seiner Loft-Suite über den Dächern Manhattans verführen würde. So etwas machen Bösewichte eben. Aber Bodyguards? Wie kam er denn plötzlich zu seinem Reichtum? Keine Ahnung. Nur eines ist sicher: Es hat nichts mit den Kräften der Spinnen zu tun.

Er hat unter anderem die generischste aller Bösewicht-Kräften: Reichtum.
Er hat unter anderem die generischste aller Bösewicht-Kräften: Reichtum.
Quelle: Sony Pictures

Wie auch immer, er hat jetzt genug Geld und Einfluss (woher oder wofür ist gänzlich unklar), um sich dasselbe Überwachungsequipment zu kaufen wie die NSA. Und er stellt sogar eine Frau ein, die es bedient. «I’ll pay you a fortune», sagt er, nachdem sie Zweifel hegt, mit dem Equipment junge Teenager zu jagen und zu töten. Rote Flaggen, überall. Sie nickt willig. Ich rolle mit den Augen.

Das alles hat das geistige Niveau meiner Grundschulaufsätze. Aber es wird noch schlimmer. Cassandras Kräfte zum Beispiel. Warum und von wem sie sie hat, wird genauso sinnfrei wie lachhaft erklärt. Dass sie dafür in gefühlt einem Nachmittag mal eben in den Tiefen Perus und wieder zurück reist, ist noch das kleinste Übel. Ach, ich könnte ewig weitermachen. Aber dann würde ich dir den ganzen Film spoilern – auch wenn das vielleicht besser wäre.

Und dann finde ich mich auf der Seite des Bösewichts wieder

Noch ironischer ist, dass ich mich trotz all des Blödsinns auf der Seite des Bösewichts wiederfinde. Schuld daran sind die drei jungen Gören, die Cassandra Webb während zwei Dritteln des Films beschützen muss.

Gespielt werden sie von Sydney Sweeney, Celeste O'Connor und Isabela Merced. Wobei «gespielt» eine Übertreibung ist; Ihre Charaktere sind selten mehr als Gen-Z-Klischees. Da ist Mattie, die Rebellin. Anya, die Schlaue. Und Julia, die sozial Unbeholfene. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, es Cassandra so schwer wie möglich zu machen, sie zu beschützen – und mir die Nerven zu rauben.

Mit Erfolg. Denn – meine Fresse! – habe ich mich selten mehr über unerträgliche Teenager-Gören geärgert als in diesem Film. Jedes Mal, wenn eine von diesen unausstehlichen Zicken ihr klugscheisserisches Maul aufriss, um irgendeinen dummen Witz, ungefragten Kommentar oder eine idiotische Idee von sich zu geben, wollte ich am liebsten laut schreien. «Bitte mach, dass der Bösewicht sie endlich dran kriegt», war ein Gedanke, der mir öfters kam. Und jedesmal, wenn sie ihm doch noch einmal von der Schippe sprangen, machte sich leise Enttäuschung in mir breit.

Der Film spielt zwar 2003, aber beim Schreiben der Mädchen dachte man wohl an eine schlechte Persiflage der Gen-Z.
Der Film spielt zwar 2003, aber beim Schreiben der Mädchen dachte man wohl an eine schlechte Persiflage der Gen-Z.
Quelle: Sony Pictures

Dass Cassandras zukunftssehende Kräfte dann noch so mysteriös wie willkürlich sind, setzt dem Ganzen die Krone auf. Gerade wenn beim erbärmlichen Erklärungsversuch die üblichen Floskeln wie «How does that work?» – «I don’t know, it just happens» oder «That’s not how it works!» fallen. Soll das etwa Chemie zwischen den Darstellern sein?!

Argh!!

So viel Potenzial – reine Verschwendung

Zu allem Übel kommt noch dazu, dass «Madame Web» fast gar nichts mit der Comicvorlage zu tun hat. Dort ist Cassandra Webb eine alte, mystische Seherin. Eine Wahrsagerin, die über aussergewöhnliche Fähigkeiten verfügt. Gelähmt und geblendet von einer schweren Form von Muskeldystrophie, ist sie an ihrem «Web-Sitz» gefesselt. Das hält sie in einem schwebenden, lebenserhaltenden Zustand und hat schon fast was Dystopisches. Aber dank ihrer Fähigkeit, die Zukunft zu sehen, fungiert sie oft als Beraterin und Mentorin für Superhelden, insbesondere für Spider-Man – auch wenn ihre wahren Motive oftmals zwielichtig und selten durchschaubar sind.

Mit der den meisten bekannten Marvel-Comic-Vorlage hat Sonys «Madame Web» wenig zu tun.
Mit der den meisten bekannten Marvel-Comic-Vorlage hat Sonys «Madame Web» wenig zu tun.
Quelle: Sony Pictures

Dakota Johnsons Madame Web hat damit nicht im Entferntesten etwas gemeinsam. Stattdessen ist sie eine leichtsinnige Sanitäterin, die gerne Regeln bricht, sozial ungeschickt ist und Menschen im Allgemeinen nicht mag. Das alles wegen eines unverarbeiteten Mutter-Tochter-Traumas. Und doch mischt sie sich ihr eigenes Leben riskierend ins Schicksal der drei jungen Frauen ein. Warum? Weil es sonst keinen Film gäbe. Darum. Oder, ja... Ihr Schicksal sei irgendwie «verknüpft». Wie in einem Spinnennetz.

Ba-Dum-Tss!

Aber keine Sorge, später wachsen ihr die Mädchen natürlich doch noch ans Herz. Warum, ist mir ein offensichtliches Rätsel. Aber hey! Wer Fragen stellt, verliert. Das habe ich mittlerweile verstanden. Und am Ende findet Dakotas Cassandra mit einem wissenden Grinsen: «The best thing about the future is that it has yet to happen.»

Oh, bitte nicht.

Fazit: «Madame Web» ist die reinste Katastrophe

So deutlich war ich selten in einer Filmkritik. Aus Respekt vor allen Beteiligten. Niemand wacht morgens auf und denkt: «Heute will ich einen schlechten Film machen.» Hunderte von Menschen haben ihr Herzblut in «Madame Web» gesteckt. Überstunden gemacht. Sich vielleicht sogar unterbezahlt für ein Projekt eingesetzt, an das sie geglaubt haben. Das respektiere ich.

Es fällt mir also keineswegs leicht, ihre Arbeit so zu zerpflücken, wie ich es hier getan habe. Auch wenn ich mich ernsthaft fragen muss, wie das Drehbuch, der Schnitt und der fertige Film an so vielen Zweigstellen im Studio vorbeigewunken werden konnte, ohne das jemand innehielt und fragte: «Leute, meinen wir das ernst? Ziehen wir’s wirklich durch?!»

Darum, das Fazit, kurz, knapp und schmerzhaft: «Morbius» war besser.

«Madame Web» läuft ab dem 14. Februar 2024 im Kino. Laufzeit: 117 Minuten. Freigegeben ab 12 Jahren.

Titelbild: Sony Pictures

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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