

Master & Dynamic MW60 – Die guten Kopfhörer für Hipster

Hipster. Gibt’s die eigentlich noch? Klar, ich sehe noch Skinny Jeans und Schnäuze mit Hornbrillen in Zürich, aber sonst? Sind die noch relevant? Wenn es nach dem Kopfhörer-Hersteller Master & Dynamic geht, dann gibt es die Bewegung noch, denn M&D macht Headphones für Hipster. Taugen sie was? Ich habe den Test gemacht.
Die ganzen Anschlüsse an den MW60 sind an der Unterseite verstecktMein erster Gedanke: «Eigentlich bin ich ja mehr der In-Ear Typ». Vor allem im Winter, wo ich doch gerne meine Wollmütze trage. Aber hey, ich scheue mich nicht vor der Herausforderung, denn Musik soll ja schön klingen und wenn da mehr Hardware ist, dann kann das ja nicht schief gehen.
Doch zuerst plagen mich die Fragen: Wer ist denn Master & Dynamic? Warum geht der Name grammatikalisch nicht auf? Wenn die Teile knapp 700 Stutz kosten, warum habe ich noch nie von denen gehört?
Die Antwort: Hipster.
Ein kleiner Exkurs: Die Hipster-Kultur
Die Zielgruppe ist jung, hip und gibt sich alternativ - Foto: PexelsDie Hipsterkultur ist eigentlich nichts anderes als die Reaktion gegen den Trend der scheinbaren Inauthentizität und der Oberflächlichkeit. In einer Welt, in der praktisch alles auf jedem Level unserer Kultur irgendeinen kommerziellen Hintergedanken oder ein gigantisches Marketingbudget hat, hat sich die Hipster-Kultur eine Nische geschaffen in der alternative Werte gegen aussen hin getragen werden.
Hipsterkultur besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten:
- Die Verehrung der Authentizität
- Die ironische Ablehnung gegenüber allem, das nicht in den engen Rahmen der Authentizität passt
Das Konzept «Authentizität» ist zwar komplex aber im Wesentlichen ebenfalls auf zwei Grundfesten aufgebaut:
- Je älter etwas ist, desto authentischer ist es, da das Produkt aus einem Zeitalter stammt, das vor der Überkommerzialisierung liegt
- Spartanische Nutzbarkeit, da minimalistische und funktionelle Objekte als weniger kommerziell gelten. Sie seien daher verlässlicher und weniger ausbeutend.
Daher schätzt der moderne Hipster sein Fixie-Bike, Schreibmaschinen, Folk Music, das Getränk serviert in einem Konfiglas und Schallplatten, da sie alt und spartanisch sind. Ferner gehört bei Männern der gut gepflegte Schnauz oder der Vollbart dazu, und bei beiden Geschlechtern sind Apple-Produkte ein Must-Have, da sie wegen ihrer Simplizität als authentisch gelten.
Die an sich sehr löbliche Hipster-Kultur sieht sich aber einem Hauptproblem gegenüber: Der Konsumindustrie, die sie so sehr ablehnt. Dieser ungnädige Moloch, der alles auffrisst und in Form einer kommerzialisierten global verträglichen Monokultur wieder ausspuckt.
Daher ist die Hipster-Kultur von einer der Brockenhaus-Besucher zu einem Kult der Ästhetik geworden. Holzfällerhemden können in Boutique-Ketten für 9.95 Franken neben Che-Guevara- und Nirvana-Shirts gekauft werden.
Was hat das jetzt mit den Kopfhörern von Master & Dynamic zu tun? Die etwas mehr als dreijährige Geschichte des Unternehmens liest sich wie ein Hipster-Märchen. Dieses Statement kann aber leicht als beleidigend verstanden werden. Da ich zumindest von den ideologischen Grundwerten mit der Hipster-Kultur sympathisiere, ist mir aber wichtig, dass du verstehst, dass dem nicht so ist.
Master & Dynamic, der Newcomer mit Retro-Wurzeln
Das Hipster-Märchen der Marke Master & Dynamic geht so: Es war einmal vor langer, langer Zeit, im Jahr 2013, als Firmengründer Jonathan Levines Sohn Kopfhörer gesucht hat, aber keine passenden gefunden hat. Der Grund: Dem jungen Mann gefielen keine der aktuellen Kopfhörer. Levine witterte eine Marktlücke und er machte sich mit seinem Jungspund auf, den perfekten Kopfhörer zu erfinden.
Fündig wurde er in einem Museum in Washington DC, wo ein paar Kopfhörer aus den 1940er-Jahren ausgestellt war. Diese waren extrem gut erhalten, da sie aus robustem Material wie Leder und Metall bestehen. Er hat einen Mitstreiter in Industriedesigner Mårten Wallby gefunden, der die ersten Master & Dynamic Kopfhörer designt hat.
Damit ist das Hipster-Märli aber nicht vorbei sondern startet nach der authentischen Suche nach Retro-Design erst richtig: Ein Jahr nach den ersten Produkten aus dem Hause M&D und viel positiver Medienaufmerksamkeit ist Drew Stone Briggs, ehemaliger Engineer der Traditionsmarke Bose, zum Team gestossen. Die ersten Kopfhörer, die Briggs entwickelt hat, waren innerhalb von drei Tagen ausverkauft.
Kurz: Master & Dynamic ist authentisch und setzt auf die Vergangenheit.
Grossartiges Design, flacher Sound
Das ist ja alles schön und gut, doch am Ende zählen bei Kopfhörern im Wesentlichen zwei Dinge:
- Komfort
- Sound
So einfach es auch wäre, Master & Dynamic als Hipster-Accessoire abzukanzeln, so falsch wäre es. Denn die Kopfhörer im Retrodesign überzeugen mit Ausnahme eines Aspekts.
Aber die MW60 sitzen bequem, auch nach mehreren Stunden. Es wird zwar manchmal etwas warm unter den Hörern, aber sie drücken niemals, auch wenn der Bügel anfangs etwas hart und starr wirkt. Clever bei der Verarbeitung ist auch die Befestigung der Polster, die über das Ohr gehen. Sie sind austauschbar und werden von erstaunlich starken Magneten gehalten.
Alle mit dem MW60 mitgelieferten Kabel können in einem Ledercase verstaut werdenDas USB-Kabel ist mit einer geflochtenen Oberfläche überzogen, was dem Kabel Stabilität gibtAlles in allem ist es so schade, dass die Master & Dynamic MW60 nicht so klingen, wie sie aussehen und verarbeitet sind, denn wenn das der Fall wäre, dann hätten wir ein Produkt, das relativ effortlos die Szene etwas mehr als nur aufgewirbelt hätte. Doch Master & Dynamic ist noch jung und das kann noch werden. Zum aktuellen Zeitpunkt aber lohnen sich die MW60 für Audiophile nur dann, wenn sie nicht ganz so viel kosten.
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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.
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