Master & Dynamic MW60 – Die guten Kopfhörer für Hipster
Produkttest

Master & Dynamic MW60 – Die guten Kopfhörer für Hipster

Hipster. Gibt’s die eigentlich noch? Klar, ich sehe noch Skinny Jeans und Schnäuze mit Hornbrillen in Zürich, aber sonst? Sind die noch relevant? Wenn es nach dem Kopfhörer-Hersteller Master & Dynamic geht, dann gibt es die Bewegung noch, denn M&D macht Headphones für Hipster. Taugen sie was? Ich habe den Test gemacht.

Master & Dynamic klingt irgendwie vielversprechend, nicht? Weil viel mehr taten die Kopfhörer nicht als sie bei mir auf dem Tisch gelandet sind, mit dem Vermerk «Für Review. Danke! Gruss Dimitri». Mehr weiss ich nicht über die Headphones als ich die erstaunlich vielfältigen Kopfhörer zum ersten Mal mit meinem Smartphone paare. Denn an der Seite haben die Kopfhörer mit dem gut merkbaren Namen MW60 allerlei Knöpfe und Regler. Also zwei. Links ein Regler, der Bluetooth oder Kabelbetrieb regelt, rechts Lautstärke- und Paarungsregler.

Die ganzen Anschlüsse an den MW60 sind an der Unterseite versteckt

Mein erster Gedanke: «Eigentlich bin ich ja mehr der In-Ear Typ». Vor allem im Winter, wo ich doch gerne meine Wollmütze trage. Aber hey, ich scheue mich nicht vor der Herausforderung, denn Musik soll ja schön klingen und wenn da mehr Hardware ist, dann kann das ja nicht schief gehen.

Doch zuerst plagen mich die Fragen: Wer ist denn Master & Dynamic? Warum geht der Name grammatikalisch nicht auf? Wenn die Teile knapp 700 Stutz kosten, warum habe ich noch nie von denen gehört?

Die Antwort: Hipster.

Ein kleiner Exkurs: Die Hipster-Kultur

Die Sache mit dem Namen ist schnell erklärt. Irgendein Marketingmensch scheint im Jahr 2013 mal den Hipster Brand Generator angeschmissen zu haben und – voilà – Master & Dynamic. Wenn ich die Kopfhörer aber als Hipster-Schrott abtun würde, dann täte ich ihnen Unrecht. Dazu aber später mehr, denn die Geschichte der Marke ist ziemlich spannend, wenn auch arg hipsterig.

Die Zielgruppe ist jung, hip und gibt sich alternativ - Foto: Pexels

Die Hipsterkultur ist eigentlich nichts anderes als die Reaktion gegen den Trend der scheinbaren Inauthentizität und der Oberflächlichkeit. In einer Welt, in der praktisch alles auf jedem Level unserer Kultur irgendeinen kommerziellen Hintergedanken oder ein gigantisches Marketingbudget hat, hat sich die Hipster-Kultur eine Nische geschaffen in der alternative Werte gegen aussen hin getragen werden.

Hipsterkultur besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten:

  1. Die Verehrung der Authentizität
  2. Die ironische Ablehnung gegenüber allem, das nicht in den engen Rahmen der Authentizität passt

Das Konzept «Authentizität» ist zwar komplex aber im Wesentlichen ebenfalls auf zwei Grundfesten aufgebaut:

  1. Je älter etwas ist, desto authentischer ist es, da das Produkt aus einem Zeitalter stammt, das vor der Überkommerzialisierung liegt
  2. Spartanische Nutzbarkeit, da minimalistische und funktionelle Objekte als weniger kommerziell gelten. Sie seien daher verlässlicher und weniger ausbeutend.

Daher schätzt der moderne Hipster sein Fixie-Bike, Schreibmaschinen, Folk Music, das Getränk serviert in einem Konfiglas und Schallplatten, da sie alt und spartanisch sind. Ferner gehört bei Männern der gut gepflegte Schnauz oder der Vollbart dazu, und bei beiden Geschlechtern sind Apple-Produkte ein Must-Have, da sie wegen ihrer Simplizität als authentisch gelten.

Die an sich sehr löbliche Hipster-Kultur sieht sich aber einem Hauptproblem gegenüber: Der Konsumindustrie, die sie so sehr ablehnt. Dieser ungnädige Moloch, der alles auffrisst und in Form einer kommerzialisierten global verträglichen Monokultur wieder ausspuckt.

Daher ist die Hipster-Kultur von einer der Brockenhaus-Besucher zu einem Kult der Ästhetik geworden. Holzfällerhemden können in Boutique-Ketten für 9.95 Franken neben Che-Guevara- und Nirvana-Shirts gekauft werden.

Was hat das jetzt mit den Kopfhörern von Master & Dynamic zu tun? Die etwas mehr als dreijährige Geschichte des Unternehmens liest sich wie ein Hipster-Märchen. Dieses Statement kann aber leicht als beleidigend verstanden werden. Da ich zumindest von den ideologischen Grundwerten mit der Hipster-Kultur sympathisiere, ist mir aber wichtig, dass du verstehst, dass dem nicht so ist.

Master & Dynamic, der Newcomer mit Retro-Wurzeln

Das Hipster-Märchen der Marke Master & Dynamic geht so: Es war einmal vor langer, langer Zeit, im Jahr 2013, als Firmengründer Jonathan Levines Sohn Kopfhörer gesucht hat, aber keine passenden gefunden hat. Der Grund: Dem jungen Mann gefielen keine der aktuellen Kopfhörer. Levine witterte eine Marktlücke und er machte sich mit seinem Jungspund auf, den perfekten Kopfhörer zu erfinden.

Fündig wurde er in einem Museum in Washington DC, wo ein paar Kopfhörer aus den 1940er-Jahren ausgestellt war. Diese waren extrem gut erhalten, da sie aus robustem Material wie Leder und Metall bestehen. Er hat einen Mitstreiter in Industriedesigner Mårten Wallby gefunden, der die ersten Master & Dynamic Kopfhörer designt hat.

Damit ist das Hipster-Märli aber nicht vorbei sondern startet nach der authentischen Suche nach Retro-Design erst richtig: Ein Jahr nach den ersten Produkten aus dem Hause M&D und viel positiver Medienaufmerksamkeit ist Drew Stone Briggs, ehemaliger Engineer der Traditionsmarke Bose, zum Team gestossen. Die ersten Kopfhörer, die Briggs entwickelt hat, waren innerhalb von drei Tagen ausverkauft.

Master & Dynamic hat sich fest der Hipster-Kultur verschrieben, hat unter anderem mit dem Künsterkollektiv NeueHouse zusammen entwickelt, vegane Kopfhörer entwickelt und auch limitierte Editionen eines Fashion-Labels produziert. Die Marke unterstützt nicht nur Resident Artists und vertreibt deren Musik auf einer Reihe Kanäle, unter anderem SoundCloud, sondern auch die Harlem Village Academies, unabhängige Schulen, die aber vom Staat Geld beziehen.

Kurz: Master & Dynamic ist authentisch und setzt auf die Vergangenheit.

Grossartiges Design, flacher Sound

Das ist ja alles schön und gut, doch am Ende zählen bei Kopfhörern im Wesentlichen zwei Dinge:

  1. Komfort
  2. Sound

So einfach es auch wäre, Master & Dynamic als Hipster-Accessoire abzukanzeln, so falsch wäre es. Denn die Kopfhörer im Retrodesign überzeugen mit Ausnahme eines Aspekts.

Beim Auspacken fällt mir auf, dass die Kopfhörer wesentlich schwerer sind, als erwartet. Das Wort «hochwertig» oder sein kleiner Bruder «wertig» wird von Marketingleuten gerne für alles und jeden benutzt, aber die MW60 haben das Adjektiv verdient. Ich zweifle keinen Moment daran, dass die Kopfhörer einiges aushalten. Doch nur der Look und das Material sind retro, denn die Technologie ist modern. Die MW60 sind Bluetooth-kompatibel, daher auch kabellos verwendbar. Aber sie haben nebst einem Micro USB Charging Port einen 3.5mm-Klinkeineingang. Das 3.5mm-Adapterkabel wird zwar mitgeliefert, könnte je nach deiner Körpergrösse aber etwas kurz ausfallen. Ich bin ziemlich genau 1.80 gross und viel Strecken liegt mit dem Kabel nicht drin.

Aber die MW60 sitzen bequem, auch nach mehreren Stunden. Es wird zwar manchmal etwas warm unter den Hörern, aber sie drücken niemals, auch wenn der Bügel anfangs etwas hart und starr wirkt. Clever bei der Verarbeitung ist auch die Befestigung der Polster, die über das Ohr gehen. Sie sind austauschbar und werden von erstaunlich starken Magneten gehalten.

Alle mit dem MW60 mitgelieferten Kabel können in einem Ledercase verstaut werden

Die clevere und solide Verarbeitung betrifft nicht nur die Kopfhörer, sondern auch das Zubehör. Da ist ein schniekes Ledercase für allerlei Kabel und das USB-Kabel ist solider verarbeitet als jedes Kabel, das ich je auf meinem Pult liegen hatte. Die Aussenseite ist mit einer Art geflochtenem Material überzogen, was dem Kabel Stabilität gibt. Obwohl das zwar nicht direkt notwendig ist, zeigt das doch, dass M&D über Ästhetik hinaus denkt und auch Accessoires nicht ausser Acht lässt.

Das USB-Kabel ist mit einer geflochtenen Oberfläche überzogen, was dem Kabel Stabilität gibt

Der einzige Punkt, in dem mich die MW60 nicht vollständig überzeugen, ist der Sound, denn dieser kann einfach nicht mit der absolut hochwertigen Verarbeitung mithalten. Der Klang ist zwar weit von «schlecht» oder «unterdurchschnittlich» entfernt, spielt in etwa im oberen Mittelfeld, aber für den Preis erwarte ich schlicht mehr. Verarbeitung ist ja schön und gut, aber wenn ich schon einen hohen dreistelligen Betrag liegen lasse, dann ist mir das gute Gefühl in den Händen nicht genug.

Was ist also falsch mit dem MW60? Wichtig ist, festzustellen, dass der Sound nicht schlecht ist. Er ist einfach flach. Weder Bässe noch Höhen sind besonders hörenswert, noch ist irgendwas falsch mit ihnen. Das finde ich sehr, sehr schade, denn mit nur wenig mehr hätte Master & Dynamic die Konkurrenz weit hinter sich lassen können und neue Standards in Punkto wireless Headphones setzen können. Und es spielt keine Rolle, welche Musik ich mit den MW60 höre, ich schaffe es einfach nicht, vom Sound hingerissen zu werden. Sei es mit Punk-Geschrammel von The Clash oder Hipster-Musik wie die hervorragenden Bronze Medal.

Alles in allem ist es so schade, dass die Master & Dynamic MW60 nicht so klingen, wie sie aussehen und verarbeitet sind, denn wenn das der Fall wäre, dann hätten wir ein Produkt, das relativ effortlos die Szene etwas mehr als nur aufgewirbelt hätte. Doch Master & Dynamic ist noch jung und das kann noch werden. Zum aktuellen Zeitpunkt aber lohnen sich die MW60 für Audiophile nur dann, wenn sie nicht ganz so viel kosten.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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