Was haben Schweizer Einfallsreichtum und Zahnpflege miteinander zu tun?
Hintergrund

Was haben Schweizer Einfallsreichtum und Zahnpflege miteinander zu tun?

Daniel Ramm
17.1.2021

Zähne? Laaangweilig! Sind da, werden geputzt, fertig! Aber: Denkste! Rund um unsere 32 Power-Hauer (im Normalfall) und ihre Pflege finden sich spannende Geschichte und überraschende Fakten, die selbst Dr. Best verblüffen würden.

1. Hart im Nehmen

Zähne sind das härteste Material im menschlichen Körper. Auf der nach dem deutschen Mineralogen Friedrich Mohs benannten Mohsschen Härteskala erreichen sie einen beeindruckenden Wert von 5. Zum Vergleich: Aluminium liegt bei 2,5, Eisen bei 3,5 und Stahl bei 4,5. Diamant führt die Rangliste mit einem Spitzenwert von 10 an. Mäusezähne kommen teils sogar auf Werte von 9,5, was erklärt, warum es für die Tierchen so gar kein Problem ist, sich jederzeit durch Metall-Leitungen und -Kabel zu beißen.

Und noch aus einem weiteren Grund sind Zähne einmalig: Weil sie nämlich einmalig sind. Wie Fingerabdrücke sind auch Zahnstellung und -Konstitution absolut individuell. Kein Muster gleicht dem anderen, weshalb Zähne regelmäßig zur Identifizierung von Toten herangezogen werden.

2. Du siehst so verbraucht aus

Im Mund eines jeden Deutschen lösen sich im Laufe eines Jahres 5,2 Tuben Zahnpasta in Nichts auf. Außerdem werden zwei Zahnbürsten oder auch zwei Bürstenköpfe elektrischer Zahnbürsten verbraucht. Klingt nach viel? Nicht in den Ohren von Zahnärzten: Nach deren Empfehlungen sollten es mindestens 7,3 Tuben und vier Zahnbürsten sein. Noch nachlässiger sind die Deutschen allerdings bei der Verwendung von Interdentalbürstchen: Würde man diese – wie empfohlen – wöchentlich wechseln, käme man im Jahr folglich auf 52 verbrauchte Exemplare. Die Wahrheit hat nicht ganz so strahlend weiße Zähne: Gerade einmal 1,4 Zahnzwischenraumbürsten nutzt der Deutsche im Durchschnitt.

3. Mann, putz´ ich gut!

Au Backe! Jeder vierte Deutsche putzt sich laut Statistik nur einmal am Tag die Zähne. 4 Prozent verweigern die Zahnpflege sogar komplett! Hinzu kommt, dass die, die putzen, zu kurz putzen: Gerade einmal 45 Sekunden dauert die Mundhygiene im Schnitt. Trotzdem halten 96 Prozent der Deutschen ihre Zahnpflege für gut bis sehr gut. Gleichzeitig wissen wiederum nur 7 Prozent, dass mit «Plaque» weicher Zahnbelag gemeint ist. Hoffentlich wird aus dieser Wissenslücke nicht irgendwann mal eine Zahnlücke.

4. Die Wurzeln aller Bürsten

Menschen kauten schon vor Jahrtausenden auf weichen Hölzern, um ihre Zähne zu reinigen. Die erste Zahnbürste, die unserer heutigen ähnelte, war allerdings eine Chinesin: Im Reich der Mitte griffen reiche Adlige im 15. Jahrhundert zu Modellen aus Bambusholz und Schweineborsten. Von dort verbreitete sich die Zahnbürste schnell auch in Europa. Um 1700 erfand der Arzt Christoph von Hellwig aus dem thüringischen Bad Tennstedt dann eine Putzhilfe mit einem Griff aus Metall und Borsten aus Pferdehaar, ein direkter Vorfahr unserer Zahnbürste. Das Pferdehaar war jedoch zu weich. Es schmiegte sich zu sehr an die Zähne an und reinigte diese so nur mäßig.

5. Der Vorgänger von Karius und Backtus

Noch weit bis ins 18. Jahrhundert galten Zahnschmerzen als Prüfung Gottes. Man hatte sie gefälligst auszuhalten, zumal als Mann. Erste Versuche der Mundhygiene waren später dann ausschließlich den oberen Schichten vorbehalten. Die Pflegeutensilien galten weithin als edel und luxuriös und für die meisten damit als dekadent und überflüssig. Erst Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich die Zahnpflege langsam, aber sicher auch im Volk durch. Solange konnte sich auch ein uralter Aberglaube halten, der erstmals auf babylonischen Tontafeln um 1800 vor Christus auftauchte: Für braune Stellen und Löcher wurde der gefräßige Zahnwurm verantwortlich gemacht.

6. Und wer hat´s erfunden? Die Schweizer!

Bereits 1780 versuchte sich der Brite William Addis an der Massenproduktion von Zahnbürsten – und scheiterte kläglich. Seine Variante aus Knochen und Fell was schlicht zu teuer für den Durchschnittsverbraucher. Erst als man ab den 1930er Jahren Borsten aus Nylon und Griffe aus Plastik herstellen konnte, wurde die Zahnbürste zunehmend zur Massenware. Bereits 1954 entwickelte der Schweizer Dr. Philippe-Guy Woog mit der «Broxodent» dann die erste elektrische Bürste, die die Borsten automatisch hin- und herbewegen konnte. Ein Meilenstein der modernen Zahnhygiene!

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7. Rekordhalter mit breitem Grinsen

Im Normalfall hat ein Erwachsener 32 Zähne. Bei dem Inder Ashik Gavei waren es jedoch gleich 232 Zähne. Um dem 17-Jährigen, der unter Schwellungen im Gesicht litt, zu helfen, entfernten Ärzte 2014 insgesamt 202 Zähne aus dessen Kiefer – in einer Operation, die sieben Stunden dauerte. Danach hatte Gavei aber wieder gut lachen.

Lachen würden wohl auch die Tiere über uns, allen voran die Napfschnecke. Die Meeresbewohnerin besitzt rund 25.000 Zähne, die auch noch von beeindruckender Härte sind, vergleichbar mit Kevlar, jenem Material, mit dem kugelsichere Westen ausgestattet werden. Selbst Moskitos haben noch 47 Zähne, auch wenn sie doch scheinbar nur stechen und nicht beißen. Der Ameisenbär kann seine Lieblingsspeise allerdings nur einsaugen: Er ist komplett zahnlos.

8. Die beissen sich durch

Menschen, die Zähne zeigen: 2013 zog der Ungar Zsolt Sinka allein mit einem Seil zwischen seinen Zähnen ein 50 Tonnen schweren Airbus A320 fast 40 Meter über eine Rollbahn des Budapester Flughafens. Bereits 2007 bewegte der Malaysier Velu Rathakrishnan einen 260 Tonnen schweren Zug mit Lokomotive in Kuala Lumpur über eine Distanz von 4,2 Meter. Autsch, das muss doch weh tun!

9. Drauf gebissen!

Die kurioseste Erfindung in Sachen Mundhygiene ist wohl «Fuzzy Brush», die kaubare Zahnbürste. Mitte der 1990er Jahre entwickelte der Brite Jim Drew die unkomplizierte Alternative für Reisende, die bis heute weltweit vor allem in Automaten an Bahnhöfen, Flughäfen oder Autobahnraststätten angeboten wird. Die Käufer beißen auf einen mit Borsten versehenen Plastikzylinder, der eine Art Zahnpasta enthält. Es bildet sich ein Schaum, der sich auf den Zähnen verteilt und diese reinigen soll. Naaa jaaa… In der Not frisst der Teufel «Fuzzy Brush»!

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Ich bin seit 20 Jahren Journalist und war unter anderem Redakteur eines Wissensmagazins, Textchef eines Nachrichtenmagazins und Chefredakteur eines Jugendmagazins. Für mich können Themen und Texte gar nicht abwechslungsreich und bunt genug sein. Am liebsten jeden Tag etwas Anderes, Neues, Spannendes. Die Menschen um mich herum aber, also jene, die mit mir Tisch, Bett und Badezimmer teilen, die dürften gerne den Rest meines Lebens dieselben bleiben. 


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