Was ich erst weiss, seitdem ich zweifache Mutter bin
Meinung

Was ich erst weiss, seitdem ich zweifache Mutter bin

Katja Fischer
1.11.2022

Nach drei Jahren als Mutter war ich Expertin. Dachte ich. Dann kam das zweite Baby und ich stellte fest: Eins ist keins. Und zwei sind wie drei.

Als mein erstes Kind zur Welt kam, stand meine Welt kopf. Alles war neu, alles war aufregend, alles war magisch. Gleichzeitig aber auch unglaublich anstrengend und intensiv.

Irgendwann war ein halbwegs menschenwürdiger Tages- und Nachtrhythmus zurück und die Zeitverkalkulationen wurden seltener. Ich kannte alle Tricks, vom beruhigenden Rauschen des Dampfabzugs bis zum Bundesordner unter der Matratze gegen die verstopfte Nase. Ich konnte im Dunkeln Windeln wechseln und war imstande, einen ganzen Wocheneinkauf im Kinderwagen zu verstauen. Und ich hatte mich daran gewöhnt, dass Me-Time zum Luxusgut geworden ist. Kurz: Ich war angekommen in meinem neuen Leben als Mutter.

Dann kam das zweite Kind. Been there, done that – oder?

Ich muss selbst laut lachen. Zumal die Freunde uns ja vorgewarnt hatten. «Eins ist keins», prophezeiten sie. «Du wirst schon sehen.» Nicht, dass mein Mann und ich sie nicht ernst genommen hätten. Wir hatten einen Heidenrespekt. Aber jetzt wissen wir ja, wie’s läuft, dachten wir. In Wahrheit brachte das zweite Kind vor knapp vier Jahren alles noch einmal ordentlich durcheinander. Wir hatten’s masslos unterschätzt. Zehn meiner überraschenden Erkenntnisse teile ich nachfolgend. Dabei gilt: Alles ist subjektiv, meine Erfahrung muss nicht deine sein.

1. Jedes Kind ist anders

Das klingt abgedroschen, ist aber so. Sämtliche Kniffs und Griffs nach drei Jahren Elternerfahrung waren jetzt so unnütz wie Babyschuhe an Säuglingsfüssen. Die zweite Tochter schien es sich regelrecht zur Aufgabe gemacht zu haben, die Vorlieben und Eigenheiten ihrer grossen Schwester zu verschmähen. Kinderwagen? Blöd. Nuggi? Noch viel doofer. Schlafen? Total bescheuert und höchstens eine Stunde am Stück. Apropos schlafen …

2. Es geht immer noch ein bisschen müder

Uneinig waren sich die Töchter gleichwohl punkto Nachtruhe. Die eine schlief schlecht ein, die andere schlecht durch. Und ich schlief irgendwann fast gar nicht mehr. Die Erschöpfung hatte ein neues Level erreicht. Auf alle Fragen von «Wie geht es dir?» bis «Habt ihr am Wochenende schon was vor?» hatte ich fortan nur noch eine Antwort: «Schlafen wäre auch mal wieder geil!»

3. Ich brauche fünf Hände

Während der ersten Babypause lebte ich nach dem Schritt-für-Schritt-Prinzip. Ich stillte, dann schlief es ein, ich hatte Zeit zum Duschen, räumte rasch den Geschirrspüler aus, bevor es wieder aufwachte, packte es in den Kinderwagen, ging einkaufen, stillte es wieder, legte es schlafen und fand vielleicht noch ein paar Minuten für ein Nickerchen. Schön eins nach dem anderen.

Mit dem zweiten wurde es komplexer. Nennen wir’s das Multitasking-Zickzack-Prinzip: Ich stillte, während ich kochte (ja, mit Tragetuch funktioniert’s) und der grossen Schwester eine Geschichte erzählte, räumte nebenbei den Geschirrspüler aus und deckte den Tisch. Ich kaufte ein, während ich die tobende Dreijährige mit einer Hand durch den Laden schleifte und mit der anderen Hand den Kinderwagen wippte, um das müde Baby zum Schlafen zu bringen. Vom eigenen Nickerchen zwischendurch konnte ich dagegen nur noch träumen. Kurz bevor Kind zwei zur Welt kam, beschloss Kind eins, dass es ab sofort keinen Mittagsschlaf mehr brauchte.

4. Die Arbeit nimmt exponentiell zu

Das zweite Kind läuft einfach mit? Ein Lügner (yep, maskulin), der das behauptet! Die Arbeit hat sich noch nicht einmal verdoppelt, sie hat überdimensional zugenommen. Statt einmal räume ich das Wohnzimmer heute fünfmal täglich auf. Der Handstaubsauger ist mein neuer BF, der nicht mehr von meiner Seite weicht. Und in der Waschküche verbringe ich ungefähr genauso viel Zeit wie im Wohnzimmer.

Selbst während ich diese Gedanken spinne, türmt sich dort schon die nächste Schmutzwäsche auf … Der Wäscheberg einer vierköpfigen Familie ist so gross, dass er nachfolgend einen eigenen Abschnitt verdient.

5. Der Wäscheberg wächst und wächst

Dank der Wäsche fühle ich mich wie Sisyphus, der den Stein den Berg hinaufrollt, um ihn gleich wieder ins Tal hinabstürzen zu sehen. Ich erklimme den Wäscheberg inzwischen fast täglich. Und noch während ich die schmutzigen Stücke in die Waschmaschine pfeffere, scheinen schon wieder drei neue im Wäschekorb zu landen. Mit einem Kind war die Wäsche viel, aber überschaubar. Dann folgte ein doppelter Anstieg. Zweites Kind plus erstes Kind mit grösseren Kleidern – ergibt: viel mehr volle Waschmaschinen.

6. Ab sofort keine Zeit für gar nichts mehr

Während sich die Care-Arbeit zu Hause gefühlt verzehnfacht hat, schien sich die Zeit verpulverisiert zu haben. «Könntest du noch schnell …» löste in der Anfangszeit nach der zweiten Geburt Hitzewallungen in mir aus. Nein, ich habe weder Zeit für ein kurzes Telefonat noch für eine rasche Mail. Ich bin froh, wenn ich’s ohne Kinder am Rockzipfel aufs Klo schaffe (mehr unter Punkt 8).

Dazu eine Anekdote: «Ich hab heute Mamitag und komme erst morgen dazu, dein Mail zu lesen», whatsappte ich einst einer Interviewpartnerin, die um eine rasche Antwort gebeten hatte. «Ok, geniess deinen freien Tag», antwortete sie mir. «Ich habe nicht frei. Ich kümmere mich um die Kinder», entgegnete ich. Kürzlich meldete sich die Frau überraschend bei mir. Sie ist Mutter geworden und erinnerte sich an unsere damalige Konversation. «Ich weiss jetzt genau, was du meintest», liess sie mich wissen.

7. Das Paar ist jetzt ein Organisationsteam

Die Augenblicke, in denen ich meinem Mann die Tochter in die Hand drücken konnte, um etwas Me-Time zu haben, sind vorbei. Die Arbeitsteilung startete unmittelbar nach der zweiten Geburt: Ich kümmerte mich aus stilltechnischen Gründen ums Baby, er um die Grössere. Das zieht sich bis heute weiter. Er bereitet das Abendessen vor, ich bade die Kinder. Er bringt Kind eins ins Bett, ich Kind zwei. Oder umgekehrt. Anschliessend warten noch Küche, Znüniboxen, Wäsche und die Terminabstimmung auf die müden Eltern. Wo wir uns früher gegenseitig entlasten konnten, sind jetzt beide gefordert. Und zwar permanent. Das Liebespaar formiert sich zum Organisationsteam und versucht, Liebespaar zu bleiben. Ein Kraftakt, der mal besser, mal schlechter gelingt.

8. Das stille Örtchen ist der letzte heilige Ort

Du weisst, du bist Mutter oder Vater, wenn du dein Geschäft nicht mehr alleine verrichten kannst. Das klang auch für mein kinderloses früheres Ich absurd. Heute bestätige ich: Es ist die Wahrheit. Beim ersten Kind lachte ich noch über die Tatsache, dass es das Badezimmer partout nicht verlassen wollte. Beim zweiten ist mir das Lachen vergangen. Die gute Nachricht: Es wird besser. Weil die Kids grösser werden und dich ab und an in Ruhe lassen. Aber auch, weil du irgendwann keine Skrupel mehr hast, den Türschlüssel umzudrehen. Drei Minuten alleine auf dem Topf bedeuten schliesslich drei Minuten kostbare Me-Time.

In Ruhe auf Toilette gehen: Me-Time!
In Ruhe auf Toilette gehen: Me-Time!

9. Eins kommt immer zu kurz

Das frühere Einzelkind war plötzlich grosse Schwester und musste fortan teilen und warten. Mit dem Ergebnis, dass es pausenlos um Aufmerksamkeit rang. Das wiederum trieb die kleine Schwester an, ihrerseits um Aufmerksamkeit zu kämpfen – mit Händen, Füssen und Stimme. Bis heute gilt: Eins kommt immer zu kurz. Und irgendwann reiben sie dir das auch noch schön unter die Nase. Alles ist unfair, alles ist gemein. Du erklärst, schlichtest, verteilst, rennst. Und stellst fest: Jemandem wirst du sowieso immer nicht gerecht. Den Kindern, aber auch dem Partner, dem Haushalt oder dir selbst.

10. Ich bin gelassener

Die Ansprüche sinken mit dem zweiten Kind, die Gelassenheit wächst. Während ich die Badewannentemperatur bei der Erstgeborenen noch gewissenhaft mit dem Thermometer überprüfte, steckte ich bei der Zweiten nur noch die Hand ins Wasser. Nicht zu heiss, nicht zu kalt, also perfekt und rein mit dir. Während ich bei der Ersten noch sämtliche untypischen Baby-Laute und Wehwehchen ergoogelte, nahm ich’s bei der Zweiten pragmatisch. Wenn’s morgen immer noch so ist, gehe ich zum Kinderarzt. Wollte ich beim ersten Kind noch alles perfekt machen, weiss ich jetzt: Klappt sowieso nicht. Und das ist völlig okay.

Ja, die Freunde hatten recht. Eins ist keins. Und zwei Kinder sind manchmal so stressig wie drei. Trotzdem ist ein Kind kein Kinderspiel. Denn eins ist erst dann keins, wenn du zwei hast. Viel weniger kompliziert ist die Rechnung mit der Liebe: Die verdoppelt sich nämlich tatsächlich. Ich bereue es keine Sekunde, ein zweites Kind bekommen zu haben. Ein Kind ist das Grösste. Zwei das Allergrösste.

Bilder: Shutterstock

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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


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