Der Lautstärke-Trick: Warum klingen Hifi-Kopfhörer am Smartphone immer so leise?
Hintergrund

Der Lautstärke-Trick: Warum klingen Hifi-Kopfhörer am Smartphone immer so leise?

Warum spielen mobile Kopfhörer mit 32 Ohm Impedanz am Smartphone deutlich lauter als grosse HiFi-Kopfhörer mit 300-Ohm-Wandlern? Sind sie von Haus aus lauter? Nicht prinzipiell – die Ursache hierfür findet sich an anderer Stelle.

Jeder, der schon mal versucht hat, einen grossen HiFi-Kopfhörer an sein Smartphone anzuschliessen, kennt den Effekt: Es klingt zwar super, doch selbst bei voll aufgedrehtem Volume-Steller ist die Lautstärke nur unzureichend – beim beigepackten Knopfhörer hingegen sprengt es einem in dieser Position schon beinahe die Ohren.

Daraus nun abzuleiten, HiFi-Kopfhörer wären aufgrund ihrer höheren Impedanz grundsätzlich leiser, ist allerdings nicht ganz korrekt. Für einen fairen Vergleich muss man nämlich zunächst ermitteln, wie viel der vom Gerät gelieferten elektrischen Energie der Kopfhörer in Schall umsetzt. Genau das beschreibt die sogenannte Kennempfindlichkeit: Sie gibt an, welchen Schalldruckpegel, angegeben in Dezibel dB) ein Kopfhörer erzeugt, wenn man ihm eine elektrische Leistung von 1 Milliwatt (mW) zuführt (Die Prüf-Frequenz liegt üblicher Weise bei 500 Hertz).

Das liest sich dann beispielsweise so: Kennempfindlichkeit Kopfhörermodell B&W P7 Wireless = 95 dB/mW. Das kleinere Modell B&W P5 Wireless hat hingegen einen Kennempfindlichkeit = 92 dB/mW. Im Vergleich also hat der P7 Wireless einen um 3 dB höheren Kennschalldruckpegel als der P5 Wireless – was nichts anderes bedeutet, als dass er über einen besseren Wirkungsgrad verfügt: Der P7 wandelt die zugeführte elektrische Leistung also um 3 Dezibel und damit doppelt so gut in akustische Leistung (doppelter Wirkungsgrad) um als der P5.

Definitionsgemäss drückt der Wirkungsgrad stets das Verhältnis von abgegebener zu zugeführter Leistung aus. Der Wirkungsgrad bei Kopfhörern wird demnach ausschliesslich durch die Effizienz der Schallwandler bestimmt – und die wird primär von der Stärke der verwendeten Magneten sowie der magnetische Flussdichte im Luftspalt geprägt, in dem sich die Schwingspule beim Membranantrieb bewegt.

Wenns nicht an der Impedanz liegt, woran dann?

Der Wirkungsgrad und damit die Kennempfindlichkeit eines Kopfhörers ist also vollkommen unabhängig von seiner Impedanz. Bleibt aber dennoch die Frage zu klären: Warum spielen denn nun 32-Ohm-Kopfhörer am Smartphone meist deutlich lauter als HiFi-Kopfhörer mit 300 Ohm Impedanz? Der Knackpunkt ist, dass die Kennempfindlichkeit eine leistungsbezogene Angabe darstellt – denn als Bezugswert gilt ja 1 Milliwatt.

An dieser Stelle kommen wir nicht umhin, für ein kleines Rechenexempel mal den Taschenrechner zu bemühen. Angenommen, wir haben zwei Kopfhörer (A und B) mit gleicher Kennempfindlichkeit (also identischem Wirlkungsgrad) von 102 dB/mW – aber unterschiedlicher Impedanz: 300 Ohm bei Kopfhörer A, 32 Ohm bei Kopfhörer B.

Und hier kommt nun die entscheidende Frage ins Spiel: Welche elektrische Spannung ist jeweils erforderlich, um beide Kopfhörer mit einer Leistung von 1 Milliwatt zu versorgen, so dass sie identische Schalldruckpegel von 102 Dezibel erzeugen?

Los geht’s:

Gegeben: die Leistung P (1 Milliwatt = 0,001 Watt)
sowie die Impedanzen (Kopfhörer A = 300 Ohm; Kopfhörer B = 32 Ohm)
Gesucht: die elektrische Spannung U (in Volt, V) für Kopfhörer A und B

Nach dem Ohm’schen Gesetz gilt:

P = U2/R

daraus folgt: √(P x R) = U

Kopfhörer A:

√(0,001W x 300 Ohm) = 0,548 V

Kopfhörer B

√(0,001W x 32 Ohm) = 0,179 V

Wir stellen fest, dass der 300-Ohm-Kopfhörer A eine mehr als 3 mal so hohe Signalspannung wie Kopfhörer B benötigt, um dem Verstärker (also dem Smartphone) 1 Milliwatt Leistung zu entnehmen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Der 32-Ohm-Kopfhörer B benötigt für 1 Milliwatt Leistungsaufnahme (und damit gleiche Lautstärke wie Hörer A) nur ein Drittel der Spannung.

Damit ist der Fall klar: Denn bei gleicher Lautstärkeeinstellung spielt der 32-Ohm-Kopfhörer B ziemlich genau doppelt so laut (ca.10 dB) wie der 300-Ohm-Kopfhörer A.

Smartphones haben zu wenig Power

Halten wir also fest: Ein technisch korrekter Lautstärkevergleich zwischen unterschiedlichen Kopfhörern ist nur bei gleicher zugeführter elektrischer Leistung möglich (Stichwort: Kennschalldruckpegel). in der Praxis jedoch spielen 32-Ohm-Mobilkopfhörer stets deutlich lauter als ihre 300-Ohm-HiFi-Kollegen, da sie sich durch ihre niedrige Impedanz bei gegebener Ausgangsspannung mehr Leistung erschleichen – und genau das ist der eigentliche Trick. Um diesen Effekt zu kompensieren und damit bei gegebener Lautstärkeeinstellung gleich laut wie Kopfhörer B zu spielen, müsste der 300-Ohm-Hörer A aus unserem Beispiel einen um 10 Dezibel höheren Kennschalldruckpegel besitzen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: HiFi-Kopfhörer mit ihrer meist hohen Kapselimpedanz benötigen für ausreichende Lautstärken deutlich höhere Ausgangsspannungen vom Verstärker als niederohmige Mobilkopfhörer. Daher sind hochimpedante Kopfhörer für den Einsatz an Smartphone & Co eher ungeignet, da letztere die erforderliche Ausgangsspannung meist nicht aufbringen können.

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Meine Audio-Laufbahn begann als Live-Tontechniker für namhafte Künstler wie Franz Josef Degenhardt, Hannes Wader, Lydie Auvray und Abdullah Ibrahim. Am Studio-Mischpult fand ich dann mein wirkliches „Zuhause“ – als Musiker davor und als Toningenieur dahinter. Heute geniesse ich das Privileg, beides leben zu können: den Toningenieur beim Mastering von Tonträgern und technischem Tiefschürfen, den Musiker beim kreativen Austoben. Bei Lowbeats betreue ich die Bereiche Professional Fidelity, Digital- und Aufnahmetechnik. 


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