Der subjektiv und objektiv beste Computer aller Zeiten
Produkttest

Der subjektiv und objektiv beste Computer aller Zeiten

David Lee
27.12.2020

Er ist anders. Anders und genial. Der Basictutor sticht in jeder Hinsicht aus der Masse durchschnittlicher Computer heraus.

Was ist der beste Computer aller Zeiten? Ist es der Supercomputer Fugaku mit 442 Petaflops und 4,6 Petabytes RAM? Keineswegs, denn bei 15000 Kilowatt Stromverbrauch haut es mir glatt die Sicherung raus. Unhandlich und teuer ist dieser Fugaku auch. Nein, der objektiv gesehen beste und geilste Computer aller Zeiten ist der hier.

Überblick über den besten Computer aller Zeiten

Er nennt sich Basictutor und stammt aus dem schönen Jahr 1986, als Tschernobyl und Modern Talking noch existierten. Der Jahrgang steht auf der Unterseite, neben dem Hinweis, dass das edle Stück in Hong Kong angefertigt wurde. Die Tasten sind aus veganem Elfenbein, im Volksmund auch «Plastik» genannt. Früher waren sie weiss, aber im Lauf der Zeit hat sich eine schöne Patina gebildet. Dort, wo der Digital Native des 21. Jahrhunderts einen Flachbildschirm erwarten würde, befindet sich das Benutzerhandbuch, während der kleine und damit ressourcenfreundlich hergestellte Bildschirm unauffällig in die Tastatur integriert ist. Ein kühnes Vorgehen für einen Hersteller, der sich Video Technology Ltd. nennt.

Die Anleitung gibt es auch auf deutsch, allerdings ist sie zu gross für die dafür vorgesehene Aufhängung. Kein Problem, denn der Hersteller hat sich dafür einen Geniestreich einfallen lassen. Die Aufhängung lässt sich mit zwei Handgriffen entfernen. So geht flexibles, modulares Design!

Im Manual steht: «Wenn der Basictutor ausgeschaltet ist, muß du:

  1. Basictutor einschalten.»

Das fand ich als Elfjähriger schon lustig und heute immer noch. So viel zu meiner persönlichen Entwicklung.

Weiter steht dort: «Nun ist dein Basictutor ein Computer und das Wort COMP leuchtet in der Anzeige.»
Erst das Einschalten macht den Computer zum Computer! Die philosophisch tiefgründige Erkenntnis erinnert mich an die Einleitung der Schweizerischen Bundesverfassung, wo es heisst, «dass nur frei ist, wer seine Freiheit gebraucht».

Funktionsweise des besten Computers aller Zeiten

Der Zweck des Basictutors ist, Kindern das Programmieren beizubringen. Nachdem der Basictutor eingeschaltet und damit zum Computer gemacht wurde, kann der Junior Software Developer irgendetwas eintippen, zum Beispiel «HALLO DU KLEINES ARSCHLOCH», worauf der Computer mit «ERR 1» antwortet. Der Error 1 ist ein Syntax Error. Damit der Computer keinen solchen diagnostiziert, braucht es einen zulässigen Befehl:

PRINT "ICH FINDE DICH SUPER!"

Worauf der Computer brav antwortet:

ICH FINDE DICH SUPER!

Nicht so super findet dich der Computer, wenn du die Schlusszeichen vergisst. Dann stürzt er ab und lässt sich nicht mehr ausschalten. Ich musste jeweils die Batterien herausnehmen und neu einsetzen. Auch das ist schlichtweg genial: So wurde ich von Anfang an zum exakten und sorgfältigen Arbeiten diszipliniert. Die heutige Jugend schreibt ja wie Sau, denen würde ein Totalabsturz bei jedem Tippfehler auch mal gut tun!

Was im Benutzerhandbuch zu Fehlern steht, ist darum nicht ganz richtig, aber natürlich pädagogisch wertvoll. Auch dass die Verfasser mit gutem Beispiel vorangehen und genau dort einen Fehler einbauen, wo es heisst, man dürfe ruhig Fehler machen.

Tippe ich vor einem Befehl die Nummer 10, dann führt der Computer den Befehl nicht aus, sondern speichert ihn als Zeile 10 im Programm. Der grösste Teil des Handbuchs besteht denn auch aus Programmen, die ich als Kind abtippte. Die Programme sind aber nicht ins Deutsche übersetzt. Das machte ich kurzerhand selbst, nachdem ich den Sinn aus dem Zusammenhang erschlossen hatte.

Der subjektiv beste Computer aller Zeiten

Der objektiv beste Computer ist mit einzigartigen Erinnerungen verbunden und darum auch subjektiv der beste Computer aller Zeiten.

Eigentlich gehörte das Gerät meinem Freund und Nachbarn, ich hatte es nur ausgeliehen. Allerdings brachte ich es recht lange nicht zurück, nämlich nie. Sobald die ersten abgetippten Programme liefen und ich halbwegs verstand, wie sie funktionierten, fing ich an, meine eigenen Programme zu schreiben. Und spätestens an diesem Punkt hatte es mir den Ärmel reingezogen. Es gab kein Zurück und keine Zurückgabe mehr.

Als ich die selbst entwickelten Programme meinem Kumpel zeigte, interessierte auch er sich plötzlich wieder für das Gerät. Trotzdem blieb der Computer bei mir, denn schliesslich war ich derjenige, der programmieren konnte. Als Entschädigung entwickelte ich massgeschneiderte Software nach seinen Wünschen. Sein dringlichster Wunsch war ein Programm, in dem er genaue Anweisungen geben konnte, wie ein von ihm nicht besonders geschätzter Schulkollege zu foltern und misshandeln sei. Er legte grossen Wert darauf, dass auch die Option «Zermalmen» zur Verfügung stand.

Mein Nachbar nannte den Basictutor übrigens konsequent Basktutor. Ein verständlicher Irrtum, wenn du dir den Schriftzug auf dem Gerät anschaust.

Meine eigenen Projekte waren friedlicher. Zu den Highlights meiner Programmierkunst gehörte ein textbasierter Flugsimulator. Da konnte ich eingeben, in welche Richtung ich fliegen wollte und mit wieviel Schub, und mit etwas Glück landete ich dann in Amsterdam oder Paris. Mit weniger Glück zerschellte ich auf dem Meer.

Ein viel kürzeres, aber nicht minder geniales Programm von mir gab Beep-Melodien auf Zufallsbasis von sich. Begeistert zeichnete ich diese Evergreens auf Kassette auf oder beglückte damit live meinen Nachbarn.

Die Kassette gibts nicht mehr, die handgeschriebenen Programme auch nicht, und leider lässt sich der Basictutor nicht mehr einschalten. Das bedeutet dann wohl, dass der weltbeste Computer gar kein Computer ist.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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