Die Vorzüge des Hinterradantriebs am E-Bike
Hintergrund

Die Vorzüge des Hinterradantriebs am E-Bike

Der Mittelmotor dominiert bei E-Bikes den Markt. Dafür gibt es gute Gründe, trotzdem muss er nicht immer die beste Wahl sein. Auch ein Hinterradantrieb hat handfeste Vorteile.

Mit den 500 Watt, die ein E-Bike-Motor bei uns in der Schweiz maximal leisten darf, hast du zusätzlich zu deiner eigenen Power die Kraft eines Radprofis an Bord. Die besten treten im Anstieg dauerhaft bis zu 6 Watt pro Kilogramm Körpergewicht und fliegen die Berge rauf. Bei so viel Unterstützung sollte es total egal sein, ob du mit Mittel- oder Hinterradmotor unterwegs bist. Leistung ist schliesslich mehr als genug da. Oder? Nicht ganz. Klar kannst du mit beiden Varianten mühelos Steigungen erklimmen, doch sie bringen ihre Kraft unterschiedlich auf die Strasse. Schlussendlich zählt für den Vortrieb nicht die Wattzahl des Motors, sondern das Drehmoment. Besonders bei niedriger Trittfrequenz.

«Die Hinterradmotoren haben am Berg den Nachteil, dass sie über kein Getriebe verfügen», sagt Daniel Wilden vom E-Bike-Hersteller Klever Mobility. «Mittelmotoren haben eines. Damit ist der Motor immer im optimalen Drehzahlbereich, um die maximale Leistung abzurufen.» Was passiert, wenn du mit zu niedriger Drehzahl unterwegs bist, kennst du aus dem Auto: Du gibst Gas, aber der grosse Schub bleibt aus, weil der Motor keine Kraft entfalten kann. «Bei Hinterradmotoren hat der Motor eine geringe Drehzahl, wenn du langsam fährst», erklärt Wilden. «Das ist einer der Gründe, warum du in einem E-Mountainbike in der Regel keinen Hinterradmotor findest.»

Genau genommen findest du ihn generell immer seltener. Trotzdem ist er weder ein Auslaufmodell noch eine B-Lösung. Zwar sind Hersteller wie BionX und GO Swiss Drive vom Markt verschwunden, während ihn Bosch, Brose, Panasonic, Shimano und Yamaha mit dem Mittelmotor dominieren. Doch in einem boomenden Bereich hat der Hinterradantrieb gute Argumente.

Schub von hinten: Der Hinterradnabenmotor ist bei schnellen S-Pedelecs beliebt.
Schub von hinten: Der Hinterradnabenmotor ist bei schnellen S-Pedelecs beliebt.

Dynamisches Fahren, wenig Verschleiss

Welcher Antrieb am sinnvollsten ist, hängt vom Einsatzbereich und individuellen Vorlieben ab. Zum einen fährt sich der Hinterradantrieb sportlich. Wenn er zu schieben beginnt, dann schiebt er richtig und vermittelt ein direktes, dynamisches Fahrgefühl ohne Aussetzer beim Schalten. Zum anderen ist er leise und punktet beim Thema Verschleiss. Besonders den schnellen S-Pedelecs mit bis zu 1000 Watt und 45 km/h kommt das zugute. Sie sind hohen Belastungen ausgesetzt und spulen viele Kilometer ab. Deshalb setzen Hersteller wie Stromer und Klever auf diesen Antrieb.

Klever X Speed Pinion 850 (51 cm)
E-Bike

Klever X Speed Pinion 850

51 cm

Klever X Speed Swiss 850 (51 cm)
E-Bike

Klever X Speed Swiss 850

51 cm

Klever X Speed Pinion 850 (51 cm)

Klever X Speed Pinion 850

51 cm

Klever X Speed Swiss 850 (51 cm)

Klever X Speed Swiss 850

51 cm

«Wenn du einen Mittelmotor mit 600 Watt hättest, dann bräuchtest du vermutlich alle 1000 Kilometer eine neue Kette und alle 2000 Kilometer eine neue Kassette», erklärt Wilden. Der Hinterradnabenmotor liefert die Kraft dagegen direkt dort ab, wo sie gebraucht wird, und schont dadurch diese Verschleissteile. Kein Wunder, dass auch Velo-Verleiher Verfechter dieser Motorvariante sind. Speziell in Kombination mit einem Riemenantrieb entstehen sehr wartungsarme Bikes. Stromer kombiniert beim neuen ST2 eine 5-Gang-Getriebeschaltung von Sturmey Archer mit dem Hinterradmotor. Klever hat seinem Topmodell ein 12-Gang-Pinion-Getriebe spendiert, das ebenfalls komplett integriert ist.

  • Produkttest

    Klever in Köln: Das S-Pedelec X Speed Pinion im Test

    von Michael Restin

Wer nicht schaltfaul ist, hat mit einem starken Hinterradmotor auch beim Anfahren am Berg kein Problem. Glänzen kann der Antrieb aber erst, wenn er in seinen Wohlfühlbereich kommt. «Um die 30 km/h spielt die Musik richtig», sagt Wilden, bezogen auf die schnellen S-Pedelecs, die vor allem Pendler von A nach B bringen. Sie können Tempo bolzen und so das Auto ersetzen. Ein weiterer Vorteil von Hinterradmotoren ist die Möglichkeit, Bremsenergie zurückzugewinnen. Auf längeren Abfahrten wirkt diese einstellbare Rekuperation auch als Motorbremse und hilft dabei, die Bremsen zu entlasten. Scheiben und Beläge müssen ohnehin einiges aushalten. Der Experte hat die Erfahrung gemacht, dass der entsprechende Service oft zu spät erledigt wird: «Ich glaube, dass viele Leute den Bremsenverschleiss unterschätzen.»

Nicht zu unterschätzen sind die gestalterischen Freiheiten, die sich durch einen Hinterradmotor ergeben. Der Motorblock unter dem Rahmen fällt weg, der Look ist aufgeräumt und unauffällig. Deshalb hat er sich nicht nur bei den S-Pedelecs ausgebreitet, sondern ist auch als Antrieb für stylische City-Flitzer beliebt.

Ich konnte selbst nicht widerstehen und habe mir vor sieben Jahren ein Singlespeed mit Hinterradantrieb zugelegt. Aus heutiger Sicht ein geradezu prähistorisches Teil, das alle Nachteile bestätigt. Am Berg muss ich kämpfen, um den Motor zum Schnurren zu bringen. Dadurch schrumpft die Reichweite gewaltig. Mein Motor ist vergleichsweise schwach und auch nicht flüsterleise wie die neuen, bürstenlosen Nabenantriebe. Aber ich liebe den Moment, wenn er zu schieben beginnt. Und wenn ich ihn abschalte, erinnert nichts mehr an ein E-Bike. Nur um Kette, Bremsen und Ritzel muss ich mich gelegentlich kümmern. Der Hinterradmotor hat mich noch nie im Stich gelassen.

Ich bereue nichts. Schon gar nicht den Hinterradmotor.
Ich bereue nichts. Schon gar nicht den Hinterradmotor.
Quelle: Thomas Kunz

59 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Sportwissenschaftler, Hochleistungspapi und Homeofficer im Dienste Ihrer Majestät der Schildkröte.


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

Kommentare

Avatar